(ip/RVR) Mit notariellem Vertrag vom September 2005 erwarben die Kläger von der beklagten Stadt Bauland. Laut Vertrag gelten für den Kaufgegenstand die Festsetzungen des von der Stadt beschlossenen Bebauungsplanes in seiner jeweils gültigen Fassung, dessen Festsetzungen die Kläger anerkennen. Hierzu weist der Vertrag darauf hin, dass die Änderungen des Plans für das Baufeld, in dem das Vertragsobjekt liegt, noch bis Ende des Jahres beschlossen werden. Der Vertrag enthält ferner einen Gewährleistungsausschluss. In der Folgezeit errichteten die Kläger auf dem Grundstück ein zweigeschossiges Wohnhaus mit Dach.

Die Kläger verlangen mit ihrer Klage Schadensersatz, weil entgegen ihrer auf ein im Jahr 2002 von der Stadt im Internet veröffentlichen Exposé gestützten Erwartung die Nachbarparzellen mit dreigeschossigen Fünf-Parteien-Häusern bebaut wurden, was dazu führt, dass durch die Bebauung die bis dahin bestehende Sicht der Kläger auf die Stadt beeinträchtigt ist. Das Landgericht wies die Klage ab. Es führte aus, indem die Kläger Schadensersatz dafür verlangten, dass die Nachbargrundstücke höher als von ihnen erwartet bebaut worden seien machten sie einen Sachmangel geltend; Gewährleistungsansprüche wegen Sachmängeln seien jedoch wirksam vertraglich ausgeschlossen. Das vorrangige Gewährleistungsrecht verdränge auch die weiteren möglichen Anspruchsgrundlagen aus vorvertraglicher Pflichtverletzung und positiver Vertragsverletzung; ein Anspruch aus unerlaubter Handlung sei auch nicht erkennbar. Die Beklagte hafte daher nur im Falle der Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie nach § 444 in Verbindung mit § 443 BGB, oder wenn sie einen Mangel arglistig verschwiegen hätte. Beides sei nicht feststellbar. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Kläger können von der Beklagten nicht Schadensersatz wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels oder Vorspielens einer nicht vorhandenen Eigenschaft des von der Beklagten veräußerten Grundstücks verlangen.

Ein Anspruch aus §§ 246, 442, 444 BGB besteht mangels Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie i.S.v. § 443 Abs.1 BGB seitens der Beklagten nicht. Dass den Klägern eine bauliche Beschränkung der Nachbargrundstücke zugesichert worden wäre, wurde nicht substantiiert vorgetragen. Schon wegen des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte für das Vorhandensein bestimmter Beschaffensmerkmale unbedingt, d.h. verschuldensunabhängig einstehen wollte.

Auch ein Gewährleistungsanspruch nach §§ 434, 437, 440, 280, 281, 283 ist nicht gegeben. Wegen des Gewährleistungsausschlusses, auf den die Beklagte sich berufen kann, würde dieser Anspruch voraussetzen, dass die Beklagte arglistig einen Mangel verschwiegen hätte (§ 444 BGB). Nach dem Vortrag der Kläger wollen diese aufgrund des Exposés, des Lageplans K 3 (bezeichnet als 'Vorschlag') und entsprechender Äußerungen des die Vertragsverhandlungen für die Beklagte führenden Herrn W bei Vertragsabschluß davon ausgegangen sein, ein Grundstück mit bleibender guter Sicht auf die Stadt zu kaufen, weil die Möglichkeit der Nachbarbebauung auf ein- bis zweigeschossige Ein- oder Zweifamilienhäuser beschränkt gewesen sei. Tatsächlich hat aber schon der damals gültige Bebauungsplan eine Bebauung mit dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern zugelassen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einem Fehler gem. § 459 BGB a.F., der ein Unterfall des neuen Sachmangelbegriffs ist, kann ein Fehler nicht nur in der körperlichen Beschaffenheit einer Kaufsache liegen, sondern auch in den tatsächlichen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Beziehungen der Sache zu ihrer Umwelt, die die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen. Die Umweltbeziehungen müssen aber in der Beschaffenheit der Sache selbst begründet sein und sich nicht erst durch Heranziehung von außerhalb des Kaufgegenstandes liegenden Verhältnissen oder Umständen ergeben. So kann ein Fehler des von den Klägern gekauften Grundstücks nicht angenommen werden.

Weil der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Bebauungsplan bereits eine dreigeschossige Bauweise und mehrere Wohnungen je Bau zuließ, hing die weitere Entwicklung allein von den Bebauungsabsichten der zukünftigen Nachbarn ab. Diese Absichten können einen Sachmangel eines Grundstücks nicht begründen, da sie keinen Bezug zur physischen Beschaffenheit des Kaufgegenstandes haben. Anders wäre es nur, wenn die Unbebaubarkeit der Nachbargrundstücke ihre Ursache in ihrer Lage oder in bestehenden Bebauungsplänen hätte. Weil die fehlende Unverbaubarkeit eine zukünftige Entwicklung ist und vom Grundstück der Kläger unabhängig, liegt auch nach dem Sachmangelbegriff des § 434 BGB kein Mangel vor. Somit sind Gewährleistungsrechte der Kläger nicht gegeben, da auch diese Haftung auf einem Mangel beruhen muss.

Die Täuschung über die baurechtliche Zulässigkeit auf dem Nachbargrundstück könnte eine Haftung aus § 311 Abs.2 no.1 BGB wegen einer Täuschung über einen Umstand, der nicht in den Anwendungsbereich der §§ 434 ff. BGB fällt, begründen. Denn auch wenn es eine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung Einfluss haben könnten, nicht gibt, so lässt sie sich doch aus besonderen Gründen in Einzelfällen bejahen. Die Rechtsprechung hat eine derartige Pflicht aus den konkreten, zwischen den Partnern bestehenden Vertragsbeziehungen dann abgleitet, wenn das Verschweigen von Tatsachen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde und der Erklärungsgegner die Mitteilung der verschwiegenen Tatsache nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte. Eine solche Situation kann bei einem Kaufvertrag gegeben sein, wenn dem Käufer Umstände unbekannt sind, die - für den Verkäufer erkennbar - für den Willensentschluss des Käufers von wesentlicher Bedeutung sind. Für einen derartigen Anspruch reicht das Vorbringen der Kläger jedoch nicht aus.

Nach ihrem erstinstanzlichen Vorbringen waren die Kläger aufmerksam geworden auf das Objekt durch das Internetexposé aus dem Jahr 2002. Aufgrund der darin enthaltenen Beschreibung, sowie von Äußerungen des Herrn W über die Nachbarbebauung, aber auch wegen der im Lageplan eingezeichneten Umgebungsbebauung und der ihnen erteilten Zusicherung, zweigeschossig plus Dachgeschoss bauen zu dürfen, wollen die Kläger davon ausgegangen sein, dass in der Nachbarschaft höchstens zweigeschossige Zweifamilienhäuser mit Dach gebaut werden würden, was für sie von entscheidender Bedeutung gewesen sei. War für Herrn W diese Fehlvorstellung der Kläger über einen für den Vertragsschluss wesentlichen Umstand erkennbar und konnte er die zukünftige Bauweise vorhersehen, hätte er nach den vorstehend aufgeführten Maßgaben auf die Möglichkeit der Bebauung mit dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern hinweisen müssen. Einer solchen Verpflichtung ist der Vertreter der Beklagten bei den Verkaufsverhandlungen jedoch nicht unterlegen.

Dass die Kläger das Internetexposé bei den Vertragsverhandlungen angesprochen oder sich darauf berufen hätten, behaupten sie nicht. Allein aufgrund dessen Existenz musste die Beklagte nicht davon ausgehen, das im Jahr 2002 verfasste Expose sei den Klägern bekannt und sie sähen die darin geschilderte Bauweise als für die Beklagte verbindlich und für ihren Kaufentschluss als ausschlaggebend an. Im Exposé ist darauf hingewiesen, dass die Änderung zum Entwurf des Bebauungsplanes bearbeitet werde. Schon wegen dieses Hinweises konnten die Kläger die im Exposé enthaltenen Angaben nach Ablauf von drei Jahren und trotz des zwischenzeitlich erlassenen Bebauungsplanes, auf den im Kaufvertrag Bezug genommen wurde, nebst dessen vorgesehener Änderung, auf die im Kaufvertrag ausdrücklich verwiesen wird, nicht als verbindlich ansehen. Davon durfte die Beklagte ausgehen.

Brandenburgisches Oberlandesgericht vom 14.10.2010, Az. 5 U 82/09


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