(ip/RVR) Das LG Stuttgart befasste sich kürzlich mit der Klage einer Wohnungsgesellschaft auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung und der Widerklage hierzu, mit der die beklagten Mieter die Rückzahlung von Mietbestandteilen forderten: Die Klägerin hatte ein Mieterhöhungsverlangen erklärt und dies vom Konto der Mieter eingezogen; die Beklagten hatten dem Mieterhöhungsverlangen nicht zugestimmt, sondern diesbezüglich geschwiegen.

Das LG beschied hierzu, dass der von den Beklagten mit der Widerklage geltend gemachte bereicherungsrechtlichen Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der unerlaubten Abbuchungen des Vermieters nicht allein durch längeres Schweigen verwirkt ist. Auch für diesen Anspruch gelten die allgemeinen Grundsätze des Zusammenwirkens von Zeit- und Umstandsmoment: Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass jener sein Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment).

Zwischen dem Zeit- und dem Umstandsmoment besteht eine Wechselwirkung; die Zeitspanne, in der der Berechtigte sein Recht nicht geltend macht kann umso kürzer sein, je gravierender die sonstigen Umstände sind, aufgrund derer der Verpflichtete sich darauf einrichten durfte, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr geltend macht und vice versa sind an das Umstandsmoment umso geringere Anforderungen zu stellen, je mehr Zeit verflossen ist, ohne dass der Berechtigte sein Recht geltend gemacht hat.

In dem hier zu entscheidenden Fall erschien schon zweifelhaft, ob das Zeitmoment per se – bei einer Frist von weniger als vier Jahren - für eine Verwirkung ausreichen kann. Denn selbst wenn man bei den ersten, zum Zeitpunkt der Rückforderung drei Jahre zurückliegenden Abbuchungen von einem erheblichen Zeitmoment ausgehen wollte, wurde dieses mit jeder weiteren, weniger weit zurückliegenden Einziehung geschwächt. Das LG verneinte die Verwirkung des Rückforderungsanspruchs der Beklagten in Anbetracht der Kombination aus dem schwach ausgeprägten Zeitmoment und dem nahezu nicht vorhandenen Umstandsmoment.

Die Klägerin, der als gewerblicher Vermieterin die gesetzlichen Regelungen über die Mieterhöhung nach §§ 557 ff. BGB hinlänglich bekannt sind, hat trotz fehlender Zustimmung der Beklagten - ohne den Rechtsweg zu beschreiten - die erhöhte Miete unter Missbrauch der ihr erteilten Einziehungsermächtigung im Lastschriftverfahren vom Konto der Beklagten abgebucht. Schon allein wegen dieses vertrags- und treuwidrigen Verhaltens ist es ihr verwehrt, sich auf eine unzulässige Rechtsausübung der Beklagten durch langes Zuwarten zu berufen. Die Klägerin durfte sich infolge ihres Rechtsbruches auch nicht darauf einstellen, das Geld endgültig behalten zu können. Das widerspruchslose Schweigen der Beklagten konnte in den Augen der Klägerin, die im Umgang mit eher zahlungsschwachen, oft der deutschen Sprache nicht mächtigen, rechtlich ungeübten Mietern erfahren ist, nicht ohne weiteres als eine Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung erscheinen; es liegt nahe, dass ein Widerspruch zunächst aus Rechtsunkenntnis und der Sorge um den Bestand des Mietverhältnisses unterblieb. Die Beklagten haben keinerlei Aktivitäten entfaltet, die bei der Klägerin einen Vertrauenstatbestand hätten begründen können; die bloße Untätigkeit kann zwar ausnahmsweise einen Verwirkungsumstand durch Unterlassen darstellen. Diese besonders schwache Form des Umstandsmomentes müsste aber zur Begründung der Verwirkung von einem besonders ausgeprägten Zeitmoment als Gegengewicht begleitet sein. Ein solches liegt aber, wie gesagt, hier nicht vor.

Im deutschen Vertragsrecht ist Schweigen grundsätzlich ein rechtliches nullum. Nur ausnahmsweise und in besonders geregelten Fällen kann Schweigen als Zustimmung gewertet werden. § 558b BGB enthält eine derartige Regelung nicht. Erhöht ein Vermieter entgegen § 558b BGB die Miete ohne ausdrückliche Zustimmung des Mieters und zieht, ohne den Rechtsweg zu beschreiten, vom Konto des Mieters unabgesprochen die erhöhte Miete ein, ist in dem Schweigen des Mieters demnach auch dann keine (konkludente) Zustimmung im Sinne des § 558b Abs.1 BGB zu dem Mieterhöhungsverlangen zu sehen, wenn der Mieter die unerlaubten Abbuchungen längere Zeit widerspruchslos hinnimmt.

LG Stuttgart vom 26.10.2011, Az. 13 S 41/11


© Copyright immobilienpool.de Media / RVR Rechtsanwälte Stuttgart