(ip/RVR) M und ihre Schwester L übertrugen mit notariellem Vertrag nebst Auflassung ihre jeweils hälftigen Miteigentumsanteile an den Grundstücken auf A, behielten sich jedoch ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchrecht an den Räumlichkeiten des Hauses vor. A wurde als alleiniger Grundstückseigentümer in das Grundbuch eingetragen. Am selben Tage wurde das Nießbrauchrecht, löschbar bei Nachweis des Todes, ins Grundbuch eingetragen. Im Vertrag ist zu dem Nießbrauchrecht unter anderem folgendes ausgeführt:

'Die Erschienenen zu 1 und 2 [M und L] bewilligen bereits jetzt unwiderruflich die Löschung des ihnen jeweils zustehenden Nießbrauchrechtes für den Fall, dass aufgrund nachhaltig eingetretener Pflegebedürftigkeit eine endgültige und dauernde Heimunterbringung der Erschienenen zu 1 oder zu 2 erfolgt ...

Die Erschienenen zu 1 und 2 erteilen insoweit, jeder für sich selbst, dem Erschienenen zu 3 [A] die Vollmacht, beim Eintritt vorstehender Bedingung, der dem Grundbuchamt durch ein entsprechendes ärztliches Attest nachzuweisen ist, die Löschung des Nießbrauchrechts im Grundbuch ... in Vollmacht und im Namen der Erschienenen zu 1 und 2 zu bewilligen und zu beantragen. Die Vollmacht gilt jeweils seitens der Erschienenen zu 1 und 2 unabhängig voneinander zu Gunsten des Erschienenen zu 3 erteilt.'

L ist inzwischen verstorben. Ihre Schwester M lebt nun in einem Alten- und Pflegeheim.
A beantragte in notariell beglaubigter Form die Löschung der Nießbrauchsrechte wie folgt:

'Der Eigentümer des ... Grundbesitzes beantragt hiermit Bezugnahme auf die Löschungsbewilligungen der Berechtigten in dem notariellen Übertragsvertrag ..., und unter Überreichung der Sterbeurkunde der L sowie des ärztlichen Attestes ... betr. Frau M, die Löschung der ... jeweils für die Berechtigten, Frau L und Frau M, eingetragenen Nießbrauchrechte.' In dem in Bezug genommenen Attest war ausgeführt, dass die M der Betreuung und der Unterbringung im Pflegeheim bedürfe. Das Grundbuchamt nahm die Löschung der Nießbrauchrechte vor. Dem trat die M mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten entgegen und regte die Eintragung eines Amtswiderspruchs an, da die Endgültigkeit der Heimunterbringung nicht feststehe und eine Rückkehr in die Räumlichkeiten des Hauses mithin nicht ausgeschlossen sei. Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die eingetragene Löschung ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der M, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs ist begründet.

Ein Amtswiderspruch ist gemäß § 53 Abs.1 S.1 GBO einzutragen, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs unterliegende Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Eine Eintragung im Sinne des § 53 Abs.1 S.1 GBO ist auch die Löschung einer Eintragung. Diese ist hier unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt.

Das für M eingetragene Nießbrauchrecht kann nur gelöscht werden, wenn entweder sie als eingetragene Berechtigte die Löschung bewilligt hat oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist, §§ 19, 22 Abs.1 S.1 GBO.
Die Bewilligung der Löschung eines Nießbrauchs, die der Berechtigte bei der Bestellung des Rechts ('bereits jetzt') aufschiebend bedingt für den Eintritt der Pflegebedürftigkeit in der Form einer endgültigen und dauernden Heimunterbringung erklärt, ist grundbuchverfahrensrechtlich unwirksam. Denn die Bewilligung nach § 19 GBO muss als eine dem Grundbuchamt gegenüber abzugebende verfahrensrechtliche Erklärung ohne weiteres verwendbar sein, das heißt, sie darf nicht von Vorbehalten, insbesondere Bedingungen oder Zeitbestimmungen abhängig sein. A konnte diese Bewilligung der M deshalb nicht in Anspruch nehmen.

Eine eigene Löschungsbewilligung des A liegt nicht vor. Denn die Löschung des Nießbrauchrechts beantragte er ausdrücklich unter 'Bezugnahme auf die Löschungsbewilligungen der Berechtigten in dem notariellen Übertragsvertrag'. Er hat indes nicht selbst, unter Inanspruchnahme der ihm erteilten Vollmacht, die Bewilligung der Löschung gegenüber dem Grundbuchamt erklärt.

Der Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs kann nicht im Nachweis der Heimunterbringung der M liegen, weil das Nießbrauchrecht lebenslang bestellt ist. Nach der materiellen Rechtslage besteht das Nießbrauchrecht der M fort. Durch die Eintragung (Löschung der Eintragung) ist das Grundbuch mithin unrichtig geworden, weil dessen Inhalt der wirklichen Rechtslage widerspricht.

Materiell-rechtlich erlischt der Nießbrauch gemäß § 1061 S.1 BGB mit dem Tode des Nießbrauchers, wenn nicht durch abweichende Vereinbarung der Nießbrauch in anderer Weise als durch die Lebenszeit des Berechtigten befristet oder auflösend bedingt wurde. Ferner erlischt der Nießbrauch an Grundstücken gemäß § 875 Abs.1 BGB durch einseitige Aufgabeerklärung des Berechtigten und entsprechende Grundbuchlöschung. Diese Voraussetzungen für eine Beendigung des für M eingetragenen Nießbrauchrechts sind nicht gegeben.

Der Nießbrauch besteht nicht etwa auflösend bedingt für den Fall der endgültigen und dauernden Heimunterbringung der Berechtigten. Ein solcher Inhalt lässt sich dem Recht nicht im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB beimessen. Gegenstand der materiellen Vereinbarung ist ausdrücklich ein lebenslanges Nießbrauchrecht.

Der auf den Bestand des Rechts gerichtete Gehalt ist in einem eigenen Absatz – mit Bewilligung und Eintragungsantrag – sachlich abgeschlossen. Der Eintragungsantrag sieht die Grundbucheintragung mit dem Vermerk vor, dass zur Löschung des Rechts der Nachweis des Todes der Berechtigten genügt. Erst der folgende Absatz der Urkunde nimmt sodann eine etwaige Pflegebedürftigkeit der Berechtigten in den Blick. Die Formulierung und die Systematik der Ausführungen im Vertrag hierzu lassen nicht feststellen, dass eine auflösende Bedingung i.S.d. § 158 Abs.2 BGB vereinbart werden sollte. Es hätte nahe gelegen, eine etwaige auflösende Bedingung bereits im vorhergehenden Absatz aufzunehmen und zu regeln. Denn eine Bedingung ist für den Bestand eines Grundstücksrechts wesentlich und muss daher in den Eintragungsvermerk aufgenommen werden; eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung reicht hier nicht aus.

Diese Erwägungen stehen auch der Annahme entgegen, in der verfahrensrechtlich unwirksamen Löschungsbewilligung liege eine materiell-rechtlich wirksame aufschiebend bedingte Aufgabe des Nießbrauchs. Die dingliche Aufgabe des Rechts für den Fall der endgültigen und dauernden Heimunterbringung entspricht ersichtlich nicht dem zu dieser Zeit gegebenen Interesse der Nießbrauchberechtigten. Der Bevollmächtigung des A, wie sie in dem nachfolgenden Absatz ausdrücklich enthalten ist, hätte es nicht bedurft, wenn sich die M nicht lediglich schuldrechtlich für den Fall der Pflegebedürftigkeit in dem geregelten Umfang zur Aufgabe des Nießbrauchs verpflichtet hätte.

Es kann deshalb dahin stehen, ob die dauernde und endgültige Heimunterbringung, wäre sie als auflösende Bedingung vorgesehen, bereits eingetreten ist.

Die Ausführungen des Grundbuchamtes in dem angefochtenen Beschluss bzgl. des Nachweises der Bevollmächtigung des A veranlassen den Senat, ergänzend darauf hinzuweisen, dass sich bei einer aufschiebend bedingten Vollmacht zur Bewilligung der Löschung eines Rechts der Nachweis in der Form des § 29 GBO auch auf den Eintritt der Bedingung zu erstrecken hat.

OLG Hamm vom 02.08.2010, Az. I-15 W 265/10


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