(ip/RVR) Bei einer Anfechtungsklage nach § 46 Abs.1 WEG sind ausnahmslos sämtliche (übrigen) Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verklagen, dies beschied kürzlich der V. Senat des BGH.

Anlass zu dieser Entscheidung bot die Beschlussmängelklage eines Mitglieds einer aus zwei Wohnhäusern (Haus A und B) bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Klägerin gehört eine in dem Haus B befindliche Eigentumswohnung. Die Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass die Kosten für die beiden Häuser jeweils getrennt abzurechnen und nur von den jeweiligen Eigentümern zu tragen sind. Auf einer Eigentümerversammlung wurde beschlossen, Haus B mit Funkzählern für Heizung und Wasser auszustatten; an der Abstimmung hierzu nahmen nur die Wohnungseigentümer des Hauses B teil. Gegen diesen Beschluss wollte sich die Klägerin wenden und erhob Klage gegen alle übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Amtsgericht wies die Klage ab mit der Begründung, die Wohnungseigentümer des Hauses A seien schon nicht passivlegitimiert (und im übrigen sei der angefochtene Beschluss auch nicht zu beanstanden).

Berufung hat die Klägerin zunächst nur insoweit eingelegt, als die Klage gegen die Wohnungseigentümer des Hauses B abgewiesen worden ist. Auf Hinweis des Berufungsgerichts hat sie - nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – ihr Rechtsmittel auf die Abweisung der Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer erweitert, und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen, da das Rechtsmittel nicht fristgerecht gegen alle Streitgenossen eingelegt wurde. Der V. Senat bestätigte diese Entscheidung zumindest in ihrem Ergebnis.

Eine nur gegen einen Teil der notwendigen Streitgenossen (fristgerecht) eingelegte Berufung ist unzulässig. Der Senat beschied, dass nach nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG stets sämtliche übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verklagen sind. Da diese notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 ZPO sind, muss sich auch die Berufung gegen sämtliche Streitgenossen richten. Die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG ist - entgegen der Auffassung der Revision - nicht einschränkend auszulegen. Der Wortlaut der Norm ist diesbezüglich klar und unzweideutig. Ausnahmen, die an die materiellrechtliche Betroffenheit anknüpfen, lässt die Regelung - anders als § 48 Abs. 1 Satz 1 WEG für die Beiladung - nicht zu.

Insoweit unterscheidet sich die Auffassung des Senats von der des Berufungsgerichts; das Berufungsgericht hatte die Ansicht geäußert, dass ausnahmsweise etwas anderes gelte, wenn durch die Gemeinschaftsordnung Untergemeinschaften mit eigener Beschlusskompetenz gebildet worden seien; dann sei die Anfechtungsklage in einschränkender Auslegung der Vorschrift des § 46 Abs. 1 WEG nur gegen die übrigen Mitglieder der betreffenden Untergemeinschaft zu richten. Da die Gemeinschaftsordnung hier lediglich eine Regelung über die Kostenverteilung enthält wirkte sich diese Ansicht wirkte aber auf das Ergebnis der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht aus.

Der Senat untermauerte sein Verständnis der Norm – dass keinerlei Ausnahmen zulässig, die an die materiellrechtliche Betroffenheit anknüpfen zulässig seien - mit ihrer Entstehungsgeschichte; diese belegt, dass die Fassung des § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Obwohl die Problematik der Mehrhausanlagen bekannt war wurden Ausnahmen nicht vorgesehen. Angesichts dieser klaren gesetzgeberischen Entscheidung sei bei der Bestimmung des Klagegegners für eine Anknüpfung an Kriterien materiellrechtlicher Betroffenheit kein Raum.

Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sprechen für diese aus der sprachlichen Fassung und der Entstehungsgeschichte der Norm gewonnene Auslegung. Bei der Bestimmung des richtigen Klagegegners ist zu bedenken, dass auch eine nicht anwaltlich vertretene Partei ohne komplizierte rechtliche Überlegungen ermitteln können sollte, gegen wen eine Anfechtungsklage zu richten ist. Dies schließt aus, die Vorschrift einschränkend auszulegen unter Heranziehung von Kriterien, die im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze finden. Es erscheint nicht sachgerecht, Anfechtungsklägern - zumal solchen ohne anwaltliche Vertretung - die Prüfung anzusinnen, ob eine von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmekonstellation vorliegt, ob der in Rede stehende Streitfall dieser zumindest vergleichbar ist und ob eine einschränkende Auslegung des § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG je nach Sachlage daran scheitert, dass im konkreten Fall alle übrigen Wohnungseigentümer - etwa mit Blick auf die Regelung des § 10 Abs. 8 WEG - materiell betroffen sind. Vor diesem Hintergrund gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts daher auch dann nichts anderes, wenn durch die Gemeinschaftsordnung - anders als hier - Untergemeinschaften mit eigener Beschlusskompetenz gebildet worden sind.

Eine fristgerechte Berufungseinlegung gegen sämtliche notwendige Streitgenossen war hier demnach zu verneinen. Das bewusst auf die Wohnungseigentümer des Hauses B beschränkte Rechtsmittel ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO erweitert worden. Der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht entgegen, dass die Fristversäumnis auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden des prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts beruht (§ 233 ZPO): Dieser hätte sich umfassend über die Rechtslage informieren müssen, um im Zweifelsfall den für seine Mandantin sichersten Weg beschreiten zu können: Er hätte vorsorglich fristgerecht Berufung gegen alle übrigen Wohnungseigentümer einlegen müssen.

BGH vom 11.11.2011, Az. V ZR 45/11


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