(ip/pp) In einem aktuellen Fall vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG Saarland) ging es um Rahmenbedingungen beim Entstehen eines “Einkaufszentrums”, konkret auch um dessen eigentliche Definition. Der Kläger des Verfahrens begehrte vom Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung von Einzelhandelsgeschäften in einer bestimmten Lage. Das Grundstück stand wie die benachbarten Parzellen im Eigentum der Eltern des Klägers. Die Fläche lag im Geltungsbereich eines in der Erstfassung aus dem Jahre 1983 datierenden Bebauungsplans der Beigeladenen und setzte ein Gewerbegebiet fest. Gegenwärtig waren auf den genannten Parzellen zwei größere gewerblich genutzte Gebäude vorhanden, und zwar ein Teppichmarkt (Verkaufsfläche 570 qm, u.a. ein Textilgeschäft ("XXXXX", 354 qm), eine Drogerie ("XXXXX", 420 qm), sowie ein Lebensmittel-Discountmarktes ("XXXXX", 795,75 qm Verkaufsfläche). Nach den vorgelegten Bauakten des Beklagten wurde dem Vater des Klägers unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans die Genehmigung zum Neubau eines weiteren "Gebäudes besonderer Art und Nutzung (Lager- und Verkaufsraum für Teppiche und Tapeten)" nebst 63 Stellplätzen erteilt.

Später aber lehnte der Beklagte Bauanträge für den Neubau eines Möbelmarktes und eines Ergänzungsbaus für den Teppichmarkt unter Verweis auf die Unvereinbarkeit der Gebietsfestsetzung des Bebauungsplans mit der dem großflächigen Einzelhandel zuzuordnenden Bebauung ab. Die dagegen nach erfolgslosen Widerspruchsverfahren angestrengten Klageverfahren wurden nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt.

Im Jahre 1999 wurde dann der Neubau des genannten Lebensmittel-Discountmarktes ("XXXXX") genehmigt. Seine geplante Erweiterung war auch Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits. Darauf erteilte der Beklagte schließlich doch die Baugenehmigung für den "Einbau eines Textil-Discountladens" in den Teppichmarkt, dem gleichzeitig 10 der 63 Stellplätze zugeordnet wurden. In der Folge aber beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen eine "1. Änderung" des betreffenden Bebauungsplans. Nach der Planbegründung sollten damit Flächen im Planbereich für "produzierendes Gewerbe" freigehalten und unter anderem Einzelhandelsbetriebe ausgeschlossen werden, um insbesondere das in jüngerer Vergangenheit sanierte und neu gestaltete Ortszentrum zu stärken. Dieses Ziel würde durch die im Gewerbegebiet aufgetretene bauliche Entwicklung, konkret die Ansiedlung mehrerer Einzelhandelsgeschäfte, mit Auswirkungen auf den Innerortsbereich gefährdet.

Die Probleme eskalierten, als der Kläger darauf beim Beklagten um die Erteilung einer Baugenehmigung zum "Neubau von 2 Einzelhandelsgeschäften" nachsuchte. Nach der Baubeschreibung soll es sich um "Verkaufsstätten für Waren aller Art, ausgenommen Lebensmittel" handeln.

Darauf lehnte der Beklagte den Bauantrag ab. In der Begründung hieß es, die Verwirklichung des Vorhabens habe bei Berücksichtigung der bereits vorhandenen Einzelhandelsgeschäfte die Verfestigung eines Einkaufszentrums zur Folge, das in einem Gewerbegebiet nicht zulässig sei. Entscheidend sei dabei, ob eine Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben vom Kunden als Einkaufszentrum empfunden werde. Durch das Vorhaben würde das in dem Bereich bereits bestehende Warenangebot mit seiner entsprechenden zentrenbildenden Magnetwirkung um ein Schuh- beziehungsweise ein Betten- und Matratzengeschäft erweitert.

Das OVG Saarland urteilte diesbezüglich wie folgt:

1. Eine allgemeine abstrakte Bestimmung des Begriffs des "Einkaufszentrums" in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO (1977) ist nicht möglich. Entscheidend ist bei einer räumlichen Konzentration mehrerer Einzelhandelsgeschäfte auf einem Grundstück die Situation im Einzelfall.

2. Nicht notwendig für die Annahme eines Einkaufszentrums ist insoweit ein von vorneherein einheitlich geplanter, finanzierter, gebauter und verwalteter Gebäudekomplex. Ein auch in Betracht zu ziehendes zeitlich versetztes Zusammenwachsen mehrerer Betriebe zu einem Einkaufszentrum setzt neben einer räumlichen Konzentration voraus, dass die einzelnen Betriebe ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und/oder Kooperation aufweisen, die sie als planvoll aufeinander bezogenes Ganzes erscheinen lassen.

3. Aufgrund des Regelungszusammenhangs und des dem § 11 Abs. 3 BauNVO 1977 zugrunde liegenden Ziels des Verordnungsgebers, letztlich der Sicherstellung einer verbrauchernahen Versorgung durch Einzelhandelsbetriebe im zentralen Siedlungsraum, ist auf das äußere Erscheinungsbild und die Wahrnehmung eines "Zentrums" durch die Kunden abzustellen. Entscheidend ist mithin, ob die jeweils konkrete Ansammlung von Läden vom Kunden als Einkaufszentrum empfunden wird, aus dessen Sicht als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung tritt und dadurch eine besondere Anziehungskraft auf Käufer ausübt (hier bejaht für sieben Einzelhandelsgeschäfte auf einem Grundstück mit einer Verkaufsfläche von 3.642 qm, sich ergänzendem Sortiment und gemeinsamer Binnenerschließung).

4. Ob die Einschätzung des Verwaltungsgerichts im konkreten Fall im Ergebnis "mit Gewissheit" richtig ist, ist keine sich im Zulassungsverfahren stellende Frage. Das gilt insbesondere in baurechtlichen Streitigkeiten, in denen eine Wertung des Sachverhalts und zu deren Vornahme wiederum eine Ortsbesichtigung notwendig sind.

5. Aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Sache nicht auf den Einzelrichter übertragen hat (§ 6 Abs. 1 VwGO), lässt sich nicht herleiten, dass die Sache besondere rechtliche und/oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufweist.

6. Das Verwaltungsgericht verletzt seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht, wenn ein in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertretener Beteiligter dort keine Beweisanträge gestellt hat. Die Aufklärungsrüge im Berufungszulassungsverfahren dient nicht dazu, solche Beweisanträge zu ersetzen.”

OVG Saarland, Az.: 2 A 267/08