(ip/pp) Ob im Öffentlichen Baurecht die Verletzung von Nachbarrechten durch eine Baugenehmigung erfolgen kann, hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg in einem aktuellen Verfahren zu entscheiden. Die Klägerin im bewussten Verfahren wendete sich gegen eine Baugenehmigung, die einem Nachbarn für die Errichtung eines "Doppelhauses" mit vier Wohneinheiten erteilt worden war. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in der bewussten Gemarkung, der Beigeladene Eigentümer eines benachbarten Baugrundstücks, das unmittelbar an das der Klägerin grenzt. Beide liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mit einer maximalen Bebauungstiefe von 18 m zwischen festgesetzten Baugrenzen. Der Beigeladene stellte bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines "Doppelhauses" mit drei Wohneinheiten auf dem seinem Grundstück und erhielt sie – nebst einer Befreiung für die Überschreitung der zulässigen Wohnungszahl um eine Wohneinheit. Mit Änderungsbescheid wurde ihm zudem die Aufteilung der dritten Wohneinheit in zwei Wohnungen und die Einhausung des straßenseitigen Balkons im Dachgeschoss genehmigt. Dann erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung. Sie machte zur Begründung geltend, dass die Vielzahl der genehmigten Wohnungen auf der Südseite des Gebäudes zu Fensterfluchten geführt habe, die städtebaulich unvertretbar wären. Das genehmigte Vorhaben füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Der nachbarschützende Charakter der festgesetzten Zweiwohnungsklausel ergebe sich aus den Materialien zum Bebauungsplan. Die Vielzahl der Wohnungen habe überdies einen vorspringenden Gebäudeteil notwendig gemacht, der den Mindestabstand von 2,50 m unterschreite. Dieser Gebäudeteil sei wegen seines Ausmaßes nicht mehr untergeordnet. Hinzu komme, dass von ihm Immissionen ausgingen: bei geöffneten Fenstern Lärm, zum anderen Licht. Darüber hinaus verstoße die Baugenehmigung gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Fensterfluchten seien so gestaltet, dass der gesamte Gartenbereich voll eingesehen werden könne. Da die Abstandsflächen nicht eingehalten seien, seien deren Einsichtsmöglichkeiten unzumutbar. Dem widersprach die Beklagte.

Das OVG gab ihr Recht:

“1. Eine Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt den Nachbarn in seinen Rechten, wenn die genehmigten Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Baumaßnahmen unbestimmt oder in sich widersprüchlich sind und infolgedessen bei der Ausführung des Vorhabens eine Verletzung nachbarschützender Rechte nicht auszuschließen ist.

2. Die … festgesetzten Mindesttiefen legen einen Mindestabstand der Nachbarbebauung zur Grundstücksgrenze fest, der ohne Zustimmung des Nachbarn - auch nicht etwa geringfügig - unterschritten werden darf.

3. Werden Rechte des Nachbarn lediglich durch einen Bestandteil des Bauvorhabens verletzt, der räumlich-gegenständlich klar abgegrenzt ist, und kann das (nachbarrechtskonform) genehmigte Vorhaben ohne größere Umplanungen auch dann sinnvoll genutzt werden, wenn dieser vollständig entfällt, kommt eine hierauf beschränkte Aufhebung der Baugenehmigung in Betracht (bejaht für den eingeschossigen Vorbau eines Wohnhauses).”

OVG Hamburg, Az.: 2 Bf 277/03