(ip/pp) Hinsichtlich des Themas “Bauen im Gewerbegebiet” stellte sich vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen jetzt die Frage, inwieweit ein genehmigter Tatbestand unzulässig sein kann, obwohl er verträglich ist? Die Antragsgegnerin des betreffenden Falles hatte der Beigeladenen, einem Unternehmen des Metallhandels und Metallrecyclings, eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung und Behandlung von Eisen- und Nichteisenschrotten mit einer Gesamtlagerfläche von 4.000 m erteilt. Das Betriebsgrundstück der Beigeladenen lag in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet mit dem Index GE1. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans hieß es, dass in den Gewerbegebieten mit dem Index GE1 Betriebs-/Anlagearten der Abstandsklassen I bis V ... nicht zugelassen sind. Die Betriebs-/Anlagearten der Abstandsklasse V sind als Ausnahme zulässig, wenn der Nachweis erbracht wird, dass durch technische Maßnahmen nur der Störgrad der Klasse VI erreicht wird.

Der Antragsteller, der ebenfalls in dem Gewerbegebiet mit dem Index GE 1 einen Handel mit Motorradteilen betreibt und auf dem Betriebsgrundstück in einer Betriebsleiterwohnung wohnt, erhob gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung Widerspruch. Zur Begründung machte er geltend, die Genehmigung verletze ihn in seinen Rechten, weil die genehmigte Anlage in dem Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig sei und von ihr überdies unzumutbare Lärm- und Staubimmissionen ausgingen. Nachdem die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Genehmigung angeordnet hatte, suchte der Antragsteller um gerichtlichen Eilrechtsschutz nach. Das VG stellte die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wieder her, weil ihm gegenüber dem Betrieb der Beigeladenen ein Gebieterhaltungsanspruch zustehe. Der genehmigte Anlagenbetrieb sei in dem Gewerbegebiet nicht zulässig, weil er nicht in der Weise atypisch sei, dass er nach seiner Art und Betriebsweise von vornherein keine Störungen befürchten lasse. Die Beschwerde der Antragsgegnerin und der Beigeladenen blieben im Ergebnis ohne Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschied:

“1. Soweit im Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauNVO von §§ 2 bis 14 BauNVO abweichende Festsetzungen getroffen werden, gelten diese speziellen Festsetzungen. Diese Vorschrift eröffnet dem Plangeber die Möglichkeit, die bauplanungsrechtliche Festsetzung auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO im Rahmen der planerischen Feinsteuerung zu modifizieren bzw. einzuschränken.

2. Die Gliederungsmöglichkeit nach den besonderen Eigenschaften der Betriebe und Anlagen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO dient in besonderem Maß dem Umwelt- und Immissionsschutz. Hierbei können Betriebe und Anlagen etwa nach ihren notwendigen Schutzabständen zu Wohngebieten gegliedert werden, wie sie in den ministeriellen Abstandserlassen zu den Abständen zwischen Industrie- und Gewerbebetrieben und Wohngebieten im Rahmen der Bauleitplanung niedergelegt sind.

3. Selbst wenn eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung und Behandlung von Eisen- und Nichteisenschrotten gemäß § 8 BauNVO im Einzelfall gewerbegebietsverträglich ist, weil sie in der Weise atypisch ist, dass sie nach ihrer Art und Betriebsweise von vornherein keine Störungen befürchten lässt und damit ihre Gebietsverträglichkeit dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist, muss sie überdies - um bauplanungsrechtlich zulässig zu sein - einer speziellen modifizierenden bzw. einschränkenden Festsetzung im Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO genügen.

OVG Nordrhein-Westfalen, Az.: 8 B 1864/08