(ip/pp/) Um das Thema des denkmalschutzrechtlichen Abwehrrechts von Eigentümern ging es aktuell vor dem Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt/Main. Die Kläger wandten sich gegen eine von der Beklagten – der Unteren Bauaufsichtsbehörde - dem Beigeladenen erteilte Abbruchgenehmigung und eine ihm von ihr erteilte Baugenehmigung. Die Kläger waren Eigentümer eines an dessen Grundstück angrenzenden Grundstücks. Beide waren jeweils mit einer Mitte der 20-er Jahre des vorigen Jahrhunderts errichteten zweigeschossigen Doppelhaushälfte mit Flachdach und gemeinsamer Brandwand sowie in westlicher und in östlicher Richtung im Wesentlichen gleicher Bebauungstiefe bebaut. Die Grundstücke liegen am Rande des Niddatals bei Frankfurt, östlich der denkmalsgeschützten Siedlung Höhenblick, einer in den Zwanziger Jahren ausgeführten Siedlung der frühen Moderne. Laut Landeskonservator war das bewusste Doppelhaus von hoher architekturgeschichtlicher Bedeutung und genösse unumschränkt Denkmalschutz.

Die Beigeladene hatte bei der Beklagten die Genehmigung zum Abbruch u. a. seiner Doppelhaushälfte beantragt. Nachdem dazu der Stadtkonservator und das Denkmalamt die denkmalschutzrechtliche Genehmigung erteilt hatten, erteilte die Untere Bauaufsichtsbehörde dem Beigeladenen die beantragte Beseitigungsgenehmigung einschließlich wasserrechtlicher und denkmalschutzrechtlicher Genehmigung. Nur das Landesamt für Denkmalpflege hatte das Einvernehmen zum Abbruch des Hauses verweigert.

Der Beigeladene ließ darauf die vorgenannten Gebäude auf seinem Grundstück abbrechen. Mit weiterem Bauantrag beantragte er eine Baugenehmigung für den Neubau u. a. einer gänzlich anders und neu konzipierten Doppelhaushälfte. Dagegen wehrte sich der Nachbar.

Der Beigeladene begann mit dem Neubau. Die Kläger legten gegen alle vorgenannten Bescheide Widerspruch ein und begehrten vornehmlich aus denkmalschutzrechtlichen Gründen ein bauaufsichtliches Einschreiten in Form eines sofortigen umfassenden Veränderungsgebots. Mit Widerspruchsbescheiden wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger gegen die Abbruchgenehmigung und die Baugenehmigung zurück, da die Kläger, die sich mit ihren Widersprüchen allein auf Belange des Denkmalschutzes berufen hätten, nicht geltend machen könnten, insoweit in eigenen Rechten verletzt zu sein.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ordnete darauf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Kläger gegen die dem Beigeladenen von der Beklagten erteilten beiden Genehmigungen an. Es sah die Kläger durch diese Genehmigungen in Abwehrrechten u. a. aus Denkmalschutzrecht, dem Gebot der Rücksichtnahme und dem Verbot der Verunstaltung als verletzt an.

Auf die Beschwerden der Beklagten und des Beigeladenen änderte der Hessische Verwaltungsgerichtshof den vorgenannten Beschluss ab und lehnte den Eilantrag der Kläger ab. U. a. verneinte er ein Abwehrrecht aus Denkmalschutzrecht und sah das Gebot der Rücksichtnahme und das Verbot der Verunstaltung nicht als verletzt an. Sodann setzte der Beigeladene zu die begonnenen Abrissarbeiten fort und ließ die Doppelhaushälfte und die Doppelgarage vollständig abreißen.

Darauf haben die Kläger Klage erhoben und wie folgt begründet: Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, die Genehmigungen verletzte sie in Abwehrrechten. Das Doppelhaus sei ein Kulturdenkmal, die denkmalschutzrechtlichen Genehmigungen hätten wegen des fehlenden Einvernehmens des Landesamtes für Denkmalpflege nicht erteilt werden dürfen. Aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts folge, dass der Eigentümer eines Kulturdenkmals die Verletzung eigener Rechte geltend machen könne, wenn ein benachbartes Vorhaben die Denkmalwürdigkeit eines solchermaßen geschützten Kulturdenkmals erheblich beeinträchtige. Durch das Vorhaben des Beigeladenen werde der denkmalschützerische Wert der Doppelhaushälfte der Kläger und damit auch der Wert der Immobilie erheblich zu Lasten der Kläger beeinträchtigt.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Main stimmte ihnen zu: “Ein Abwehrrecht des Nachbarn gegen eine der Bauherrschaft erteilte Baugenehmigung besteht nur, wenn ein Vorhaben gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und die Voraussetzungen für eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nicht vorliegen und die verletzten Vorschriften auch zum Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt, also nachbarschützend sind und durch das rechtswidrige Vorhaben eine tatsächliche Beeinträchtigung des Nachbarn hinsichtlich der durch die Vorschriften geschützten nachbarlichen Belange eintritt”.

”Insbesondere darf das Gesetz den Eigentümer nicht dem Risiko aussetzen, dass seine Investitionen zur Erfüllung seiner Erhaltungspflicht in die Denkmalsubstanz entwertet werden. Er hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Belastungen, die ihm infolge der Erhaltungspflicht zum Schutz des Kulturdenkmals auferlegt werden, den mit der Unterschutzstellung angestrebten Zweck auch tatsächlich und auf Dauer erreichen können. Nur wenn er die denkmalrechtliche Genehmigung eines Vorhabens unter der genannten Voraussetzung anfechten und das Vorhaben dadurch gegebenenfalls verhindern kann, wird die Unverhältnismäßigkeit der Erhaltungspflicht - wie von Art. 14 Abs. 1 GG gefordert - real vermieden.” “Der Gesetzgeber muss das Kulturdenkmal deshalb auch vor Beeinträchtigungen durch Vorhaben in seiner Umgebung schützen. Ein denkmalwürdiges Gebäude und seine Umgebung bilden aus Gründen des Denkmalschutzes häufig eine Einheit. Die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals kann wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen. Die Ziele des Denkmalschutzes lassen sich deshalb nur erreichen, wenn auch das Eigentum in der Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes beschränkt wird.” “Denkmalschutz braucht Substanz- und Umgebungsschutz”


Verwaltungsgericht Frankfurt/Main, 25.08.2009/Urteil 8 K 2609/08