(ip/pp) In einem auch politisch vieldiskutierten Fall im Gewerberaummietrecht ging es vor dem Berliner Kammergericht um die Frage, inwieweit ein Gewerberaummieter über etwaiges Konfliktpotential seiner Waren aufklären muss. Im Verfahren ging es besonders um das Verschweigen, bzw. um die Täuschung des Vermieters, dass im betreffenden Ladengeschäft nahezu ausschließlich das vollständige Warensortiment einer Modemarke stehen sollte, das besonders bei Jugendlichen des extrem rechten politischen Lagers “Kultstatus” besaß.

Das Kammergericht bestätigte im Berufungsurteil die Vorinstanz Landgericht darin, dass diese Täuschung für den Vertragsschluss ursächlich gewesen sei. Einer Beweisaufnahme hätte es nicht bedurft. Für die Ursächlichkeit genüge es, dass der Getäuschte Umstände dargelegt hätte, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts generell Einfluss auf die Entschließung habe. Es sei zunächst anzunehmen, dass ein Vermieter, dem bei langfristigen Verträgen vom Interessenten mitgeteilt wird, dass in den anzumietenden Räumen nahezu ausschließlich das gesamte Sortiment einer bestimmten Marke verkauft werden soll, beim Interessenten nachfragt oder eine Internetrecherche durchführt, wenn er diese nicht kenne. Nach der Lebenserfahrung spiele es für den Abschluss von Dauerschuldverhältnissen wie etwa Mietverträgen auch eine Rolle, wenn eine Vertragspartei hiermit Gefahr läuft, dass ihr öffentlicher Ruf hierdurch beschädigt wird und so letztlich auch ihre wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt werden. Es komme dabei jedoch nicht darauf an, ob anderenfalls überhaupt kein Vertrag abgeschlossen worden wäre. Ausreichend sei es, wenn der Vertrag jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt oder mit diesem Inhalt abgeschlossen worden wäre.

So fasste das Kammergericht im Leitsatz zusammen:

“Der potentielle Mieter von Gewerberäumen ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Vermieter vor Vertragsschluss über seine Absicht aufzuklären, nahezu ausschließlich Bekleidung einer Marke anzubieten, die in der Öffentlichkeit mit rechtsradikalen Gesinnungen in Verbindung gebracht wird und dementsprechendes Konfliktpotential besitzt.

2. Für die Ursächlichkeit einer arglistigen Täuschung für den Vertragsschluss genügt es, dass der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat. Es reicht aus, wenn der Vertrag jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt oder mit diesem Inhalt abgeschlossen worden wäre.

3. Der Anfechtende kann den von ihm zu erbringenden Beweis der Arglist des Anfechtungsgegners durch Indizien führen, die den Schluss auf den Täuschungsvorsatz zulassen.

KG Berlin, Az: 8 U 223/08