(ip/pp) Mit der strafrechtlichen Verantwortung für Gebäudeeinsturz bei Arbeitsteilung im Baugewerbe hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil beschäftigt. Der hierbei angefochtene Fall betrifft ein Bauunglück, bei dem fünf auf dem Bau tätige Arbeiter zu Tode kamen und fünf weitere Personen, darunter der Angeklagte, verletzt wurden. Gegenstand des städtischen Bauvorhabens war die Sanierung einer Schule gewesen, wobei u.a. im Erdgeschoss des Südostflügels ein größerer Musikraum entstehen sollte. Dazu war der Abbruch der tragenden, 7,22 m langen und 3 m hohen Querwand zwischen zwei ehemaligen Räumen sowie der Einbau einer Stahlkonstruktion geplant. Den nach öffentlicher Ausschreibung erteilten Zuschlag für die Bauhauptleistungen erhielt ein Bauunternehmer, der vom Landgericht in diesem Verfahren inzwischen rechtskräftig verurteilte frühere Mitangeklagte. Zum Leistungsumfang gehörten u.a. auch die Stahlbauarbeiten und Betonschneidearbeiten. Die Stahlbauarbeiten umfassten danach u.a. für die sog. Montageunterstützung "das Vorhalten, den Einbau und die Beseitigung von 300 Drehsteifen für den Einbau der Stahlträger zur Abfangung der Geschossdecken". Zu den Betonschneidearbeiten gehörte nach dem Leistungsverzeichnis auch das abschnittweise Abbrechen einer Wand aus bewehrtem Beton. Die Durchführung dieser Betonschneidearbeiten einschließlich des Abbruchs und der Entsorgung der tragenden Wand übertrug der Mitangeklagte auf eine Firma für Betonbohr- und Sägetechnik, für die als Niederlassungsleiter einer der Angeklagten und als deren Arbeiter ein weiterer Angeklagte auf der Baustelle tätig waren. Nach der von einem Bauplanungsbüro erstellten statischen Berechnung für den Umbau war eine Grundabsteifung mit insgesamt 336 Stützen mit einer zulässigen Tragfähigkeit von jeweils 20 kN vorgesehen. Der Angeklagte informierte darauf seinen Vorgesetzten, einen ebenfalls Mitangeklagten, dass der vorgesehene Stützenabstand von 0,15 m ein Arbeiten mit der für die Betonschneidearbeiten verwendeten Wandsäge unmöglich mache. Nachdem dieser versucht hatte, daraufhin das Problem allgemein anzusprechen, aber keine Auskunft erhielt, wandte er sich an einen Mitangeklagten, der darauf zusagte, er werde beim Statiker nachfragen und klären, wie vorgegangen werden könne – dies dann aber unterließ. Auf eine gelegentliche Nachfrage des Bauleiters äußerte er jedoch, dass die Hinzuziehung eines Statikers nicht erforderlich sei, da er mit den Festlegungen der Statik "klarkomme", es sei alles gut beschrieben. Er lies in nur geringeren Umfang absteifen – und es kam zum Einsturz des gesamten Mittelteils des Südostflügels des Schulgebäudes mit den bereits erwähnten schwer wiegenden Folgen. Als Ursachen für den Einsturz hat das sachverständig beratene Landgericht in erster Linie die zu geringe Anzahl der Steifen, die unterlassene Verwendung der für die Absteifung vorgegebenen Kantholzsteifen 20/20 und deren Ersatz durch Drehsteifen mit zu geringer Traglast festgestellt.

In letzter Instanz betonte der BGH die Verantwortung aller am Bau Beteiligter:

“Diese Sicherungspflicht wird indes nicht bereits durch jede bloß theoretische Möglichkeit einer Gefährdung ausgelöst; da eine absolute Sicherung gegen Gefahren und Schäden nicht erreichbar ist und auch die berechtigten Verkehrserwartungen nicht auf einen solchen absoluten Schutz ausgerichtet sind, beschränkt sich die Verkehrssicherungspflicht auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Andere vor Schäden zu bewahren. Haftungsbegründend wirkt demgemäß die Nichtabwendung einer Gefahr erst dann, wenn sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden können … Diese in der zivilrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind maßgebend auch für die Bestimmung der strafrechtlichen Anforderungen an die im Einzelfall gebotene Sorgfaltspflicht. Ausgangspunkt dafür ist jeweils das Maß der Gefahr mit der Folge, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je größer bei erkennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität sind”.

BGH, Az.: 4 StR 252/08