(ip/RVR) Die im Dezember 2003 gegründete O.GmbH bezweckte, den von ihr erworbenen Grundbesitz zu sanieren, in Wohnungseigentumseinheiten aufzuteilen und entsprechend zu veräußern. Von der P.AG, einer ihrer Gründungsgesellschafterinnen, erhielt sie ein Darlehen, zu dessen Sicherung eine erstrangige Grundschuld an diesem Objekt bestellt und im Grundbuch eingetragen wurde. Der beklagte Notar beurkundete sowohl den Gesellschaftsvertrag als auch den Kaufvertrag und die Bestellung dieser Grundschuld. Wegen Unstimmigkeiten zwischen den genannten Unternehmen kam es im Zeitraum März bis November 2005 zu diversen Eintragungen von Zwangsversteigerungsvermerken zu Lasten der O.GmbH, die jeweils aufgrund von zwischen O.GmbH und P.AG geschlossenen Vergleichen wieder gelöscht wurden. Schließlich wurde auch die für die P.AG bestellte Grundschuld gelöscht. Im November bewirkte die P.AG erneut die Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks zu Lasten von noch zwei Wohnungseigentumseinheiten.

Im Dezember 2005 beurkundete der Beklagte den Kaufvertrag zwischen den Klägern und der O.GmbH über eine dieser beiden Eigentumswohnungen. Die Verkäuferin verpflichtete sich, das Objekt bis Ende November 2006 bezugsfertig herzustellen. Der Kaufpreis sollte nach Maßgabe eines der Makler- und Bauträgerverordnung entsprechenden Ratenzahlungsplans entrichtet werden. Auf den zum Zeitpunkt der Beurkundung im Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk wies der Beklagte nicht gesondert hin und bezeichnete diesen im Kaufvertrag bei Aufzählung der Grundbuchbelastungen lediglich als 'Vermerk'. Die Kläger zahlten die erste Kaufpreisrate auf ein Notaranderkonto des Beklagten. Im Januar 2006 wurde zu ihren Gunsten eine Eigentumsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Nachdem der Zwangsversteigerungsvermerk aufgrund eines erneuten zwischen der P.AG und der O.GmbH zustande gekommenen Vergleichs im Februar 2006 gelöscht worden war, kehrte der Beklagte die erste Kaufpreisrate nach Maßgabe der ihm erteilten Anweisungen aus. Da die Verkäuferin ihren vertraglichen Verpflichtungen wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr nachkommen konnte, kündigten die Kläger im Mai 2006 den Bauträgervertrag und ließen die noch ausstehenden Sanierungsarbeiten auf eigene Kosten ausführen. Im September 2006 wurde für die O.GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte im September 2007.

Die Kläger werfen dem Beklagten die Verletzung seiner notariellen Amtspflichten vor, weil er sie im Beurkundungstermin nicht über den im Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und die ihm bekannten wirtschaftlichen Schwierigkeiten der O.GmbH unterrichtet habe. Sie machen deshalb einen Schadensersatzanspruch geltend und begehren die Feststellung seiner Verpflichtung, ihnen alle Schäden zu ersetzen, die auf diese Pflichtverletzung zurückzuführen seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Kläger war erfolglos. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre bisherigen Klageanträge weiter. Die Revision der Kläger ist begründet.

Der Beklagte hat seine aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG folgende Amtspflicht verletzt, die Kläger über die rechtliche Tragweite des beurkundeten Kaufvertrags, sowie über die unmittelbaren rechtlichen Bedingungen für den Eintritt des beabsichtigten Rechtserfolgs zu belehren. Er hat bei Beurkundung nicht auf den zu diesem Zeitpunkt noch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und dessen rechtliche Folgen hingewiesen; er belehrte nicht darüber, dass die Anordnung der Zwangsversteigerung die Beschlagnahme des Grundstücks und mithin ein Veräußerungsverbot zur Folge hätte (vgl. § 20 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG), sodass bis auf weiteres ein Hindernis für den beabsichtigten Erwerb lastenfreien Eigentums bestünde. Die Aufnahme eines Hinweises im Kaufvertrag lediglich auf einen in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenen 'Vermerk' wurde seinen Verpflichtungen zur Belehrung über die rechtliche Tragweite der noch bestehenden Belastung nicht gerecht, zumal der Inhalt dieses 'Vermerks' weder besprochen noch erläutert wurde.

Ein auf diese Pflichtverletzung des Beklagten gestützter Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 BNotO ist begründet. Die von den Klägern geltend gemachte Schadensfolge liegt innerhalb des Schutzzwecks der verletzten Amtspflicht und ist somit dem Beklagten zuzurechnen.

Die dem Notar nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG obliegende Pflicht zur Rechtsbelehrung reicht grundsätzlich nur soweit, als eine Belehrung für das Zustandekommen einer formgültigen Urkunde erforderlich ist. Dagegen bezieht sich die Belehrungspflicht nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht auf die wirtschaftliche Tragweite des Rechtsgeschäfts. Zwar hat sich hier nicht das von dem Zwangsversteigerungsvermerk ausgehende Risiko verwirklicht, sondern das wirtschaftliche Risiko, dass die Verkäuferin in der Folgezeit finanziell nicht in der Lage war, die geschuldeten Leistungen zu erbringen.

Jedoch wird die Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks zulasten eines Vertragspartners im Rechts- und Geschäftsverkehr als Warnhinweis auf mögliche bestehende finanzielle Schwierigkeiten angesehen, sodass im Allgemeinen vor Abschluss eines Vertrags die Leistungsfähigkeit dieses Vertragspartners hinterfragt wird. Dies belegt, dass in der Rechtswirklichkeit durch die Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks ein – für die Haftungszurechnung ausreichender - Zusammenhang zwischen der rechtlichen und der wirtschaftlichen Durchführbarkeit des Vertrags hergestellt wird.

Jedenfalls bei Beurkundung eines Bauträgervertrags, der Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB ist, hätte es der Beklagte wegen der mit dem Abschluss eines solchen Vertrags (im Vergleich zu allgemeinen Grundstücksgeschäften) verbundenen erhöhten wirtschaftlichen Risiken und der gegenüber Verbrauchern bestehenden besonderen Schutz- und Belehrungsfunktion nicht mit einem Hinweis auf den eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und dessen rechtliche Auswirkungen bewenden lassen dürfen.

Vielmehr hätte er die Kläger vor Abschluss des finanziell so riskanten Vertrags auf die faktische Warnfunktion eines Zwangsversteigerungsvermerks hinweisen bzw. darüber belehren müssen, dass ein derartiger Vermerk als ein Warnsignal für bestehende finanzielle Schwierigkeiten des Grundstückseigentümers zu verstehen ist. Diese Pflicht ist Ausfluss der sich aus § 14 BNotO ergebenden so genannten erweiterten Belehrungspflicht, die sich in Ausnahmefällen auch auf die wirtschaftlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts erstrecken kann.

Im konkreten Fall kommt hinzu, dass dem beklagten Notar der dauernde Streit zwischen der Verkäuferin und der für ihr wirtschaftliches Überleben unverzichtbaren P.AG bekannt war und er wissen musste, dass die Verkäuferin keine liquiden Mittel mehr hatte, die sie zur Erfüllung der vertraglich übernommenen Bauverpflichtung hätte einsetzen können. Aufgrund dieses Kenntnisstands war der Beklagte zumindest gehalten, die Kläger besonders nachdrücklich auf die 'Indizwirkung' der Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks für eine wirtschaftliche Schieflage der O.GmbH hinzuweisen.

Weil vorliegend die notarielle Amtspflicht, über den noch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und seine Bedeutung zu belehren, auch dazu diente, den Klägern als Kaufinteressenten einer noch herzustellenden Eigentumswohnung die Gelegenheit zu geben, die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Vertragspartners und damit der Durchführbarkeit des Vertrags näher zu prüfen, stellt die festgestellte Verletzung dieser Verpflichtung die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 BNotO dar.

BGH vom 22.07.2010, Az. III ZR 293/09
 

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