(ip/RVR) Der V. Zivilsenat des BGH entschied jüngst über die Zulässigkeit der Berufung in einem Streit, in dem die Beklagten auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 SächsNRG vom Amtsgericht verurteilt wurden, die auf ihrem Grundstück befindliche Thujahecke "so zurückzuschneiden, dass deren Höhe eine solche von 2,00 m nicht übersteigt". Das Amtsgericht hatte den Streitwert auf 1.000€ festgesetzt. Die Beklagten legten Berufung ein. Mit der Begründung, dass die Beklagten eine 600 € übersteigende Beschwer nicht glaubhaft gemacht hätten, wurde die Berufung vom Landgericht als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beklagten mit ihrer Rechtsbeschwerde.

Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung der Beschwer der in erster Instanz Verurteilten den Umfang der Verurteilung verkannt. Die Beschwer übersteigt den Betrag von 600 €; die Berufung ist deshalb ohne Zulassung durch das Gericht zulässig, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Beschwer des zu einem jährlich wiederkehrenden Zurückschneiden einer Hecke verurteilten Beklagten bemisst sich nach § 9 ZPO. Der Senat führte aus:

Nach Satz 1 dieser Vorschrift wird der Wert eines Rechts auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen nach dem 3,5-Fachen des einjährigen Bezugs berechnet. Diese Vorschrift gilt vor allem für Ansprüche aus Stammrechten, die dem Berechtigten einen Anspruch auf regelmäßig oder unregelmäßig wiederkehrende Geldzahlungen oder Sachleistungen gleichen Umfangs vermitteln. Der Begriff der Leistung entspricht dem Begriff der Leistung in § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die hier umstrittene Verpflichtung zum Zurückschneiden der Hecke auf eine Höhe von 2m stellt also eine wiederkehrende Leistung i.S.v. § 9 ZPO dar, weil die Beklagten nach dem angefochtenen Urteil ihre Hecke bei jedem Hinauswachsen über die Höhe von 2m beschneiden lassen müssen. Dass die Häufigkeit der hierin liegenden Sachleistung von dem Wuchs der Hecke abhängt, ändert an dem Charakter als wiederkehrende Verpflichtung nichts. Der zurückzuschneidende Wuchs kann zwar unterschiedlich ausfallen. Anhaltspunkte dafür, dass der für das Zurückschneiden erforderliche Aufwand deshalb unterschiedlich hoch wäre oder werden könnte, sind aber nicht ersichtlich.

Das Berufungsgericht den nach § 9 Satz 1 ZPO maßgeblichen Wert des einjährigen Bezugs zu niedrig angesetzt, weil es den Umfang der Verurteilung der Beklagten verkannt hat.

Die zur Bemessung der Beschwer vorgelegte Kostenschätzung des Gärtners der Beklagten weist für die jährliche Pflege der Hecke Kosten in Höhe von 170 € aus. Das 3,5-fache dieses Betrags übersteigt zwar den Grenzwert von 600€ nicht. Die Beklagten haben aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gärtner für seine Kostenschätzung nur die Kosten für den von ihnen bislang jährlich im Herbst veranlassten einmaligen Rückschnitt der Hecke angesetzt hat. Nach dem Wortlaut der Verurteilung haben die Beklagten die Hecke ständig auf einer Höhe von maximal 2m zu halten.

Zwar sind sie nach § 14 SächsNRG zu nicht mehr als nur einem Rückschnitt jährlich verpflichtet. Das ergibt sich daraus, dass der Grundstückseigentümer nach § 14 Abs. 2 SächsNRG das Zurückschneiden und die Beseitigung von Pflanzen nicht in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September vornehmen muss und nach § 25 Abs. 1 Nr. 5 SächsNatSchG vorbehaltlich einer Ausnahmegenehmigung nach § 25 Abs. 2, 2a SächsNatSchG auch nicht vornehmen darf. Diese gesetzlichen Beschränkungen finden sich aber in der konkreten Verurteilung nicht wieder.

Die Verpflichtung der Beklagten, ihre Hecke nicht höher als 2m werden zu lassen, ist demnach nicht auf den Zeitraum außerhalb der Wachstumsperiode beschränkt.

Die Klägerin kann deshalb von den Beklagten jährlich nicht nur ein einmal, sondern mehrmals das Zurückschneiden der Hecke verlangen. Denn die Hecke wird im Laufe des Jahres wohl mehrmals die Höhe von 2 m übersteigen; nach Einschätzung des Senats müssten die Beklagten mindestens zweimal im Jahr, nämlich in und nach der Wachstumsperiode, zurückschneiden, wenn die Verurteilung unverändert bestehen bliebe. Infolgedessen entspricht der Wert des einjährigen Bezugs im Sinne von § 9 Satz 1 ZPO nicht dem Wert eines einmaligen, sondern dem Wert eines mehrmaligen jährlichen Zurückschneidens der Hecke. Die Beschwer der Beklagten übersteigt damit 600€; deshalb ist die Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auch ohne Zulassung zulässig.

Im übrigen beschied der Senat, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren nur zu prüfen ist, ob das Berufungsgericht seiner Pflicht zur Nachholung der Zulassungsentscheidung nachgekommen ist, nicht aber, ob die Entscheidung über die Zulassung der Berufung sachlich richtig ist.

Hat das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen, über die Zulässigkeit der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zu entscheiden, weil es den Streitwert auf über 600 € festgesetzt hat - sodass die Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig ist –, hält das Berufungsgericht den Streitwert von 600€ hingegen für nicht erreicht, hat das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung nachzuholen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung ersetzt dann die an sich - ex post - gebotene Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts nach § 511 Abs. 4 ZPO und ist deshalb wie diese nicht anfechtbar.

An der erforderlichen Nachholung der Zulassungsentscheidung fehlt es jedoch, wenn sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts ergibt, dass dieses nicht alle Zulassungsgründe geprüft hat. Hier hat das Berufungsgericht schon nicht gesehen, dass die nachzuholende Entscheidung über die Zulassung nicht nach dem Maßstab des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu treffen ist, sondern nach dem Maßstab des § 511 Abs. 4 ZPO. Die unterlassene Prüfung war deshalb im Rechtsbeschwerdeverfahren nachzuholen.

Der Senat verwies die Sache letztlich an das Berufungsgericht zur erneuten Entscheidung – insbesondere zur Einschränkung seines Ausspruchs entsprechend § 14 Abs. 2 SächsNRG -zurück.

BGH vom 06.10.2011, Az. V ZB 72/11

 

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