(ip/RVR) Ein Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt für einen Beschluss, der über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn entscheidet, vgl. § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG. Der V. Zivilsenat des BGH stellte nun klar, dass dieses Stimmrechtsverbot nur gilt für Abstimmungen über Beschlussgegenstände, die verfahrensrechtliche Maßnahmen betreffen; dass eine Beschlussfassung Auswirkungen auf den Rechtsstreit in materiell-rechtlicher Hinsicht hat oder haben kann, genügt nicht, um dem (potentiellen) Prozessgegner seine Stimmberechtigung zu verwehren.

Anlass für diese Klarstellung bot folgender Sachverhalt: Ein Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft hatte ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer Umbaumaßnahmen vorgenommen. Er wurde daraufhin im Jahr 2004 in einem WEG-Verfahren mit Stufenanträgen auf Auskunftserteilung über vorgenommene bauliche Veränderungen, auf Versicherung der Richtigkeit der Auskunftserteilung an Eides statt sowie auf Beseitigung der sich aus der Auskunft ergebenden baulichen Veränderung in Anspruch genommen. Die Anträge der ersten und zweiten Stufe waren erfolgreich. Das Verfahren ist derzeit in der Beschwerdeinstanz anhängig.

Auf einer Wohnungseigentümerversammlung wurden nun - mit Stimme des Beklagten - Beschlüsse gefasst, die den in rechtswidriger Weise herbeigeführten baulichen Zustand billigten. Die Wirksamkeit der Beschlüsse wurde mit Blick auf das Stimmrechtsverbot des § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG in Zweifel gezogen.

Der V. Senat beschied: Weil das Stimmrecht der Wohnungseigentümer wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten ist darf es nur ausnahmsweise, unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Infolgedessen verbietet § 25 Abs. 5 WEG das Mitabstimmen eines Wohnungseigentümers zur Beschlussfassung nur angesichts schwerwiegender Interessenkollisionen, in denen die - sonst legitime - Verfolgung auch privater Sonderinteressen bei der Willensbildung der Wohnungseigentümer nicht mehr hinnehmbar erscheint. Das in der Regelung § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Anliegen ist es zu verhindern, dass der Prozessgegner auf das Ob und Wie einer gegen ihn gerichteten Prozessführung Einfluss nehmen kann. Weil bei einer Mitwirkung des Prozessgegners an der auf das Verfahren bezogenen Willensbildung die Gefahr besteht, dass eine sachgerechte Klärung der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Streitgegenstände erschwert oder gar verhindert würde, scheidet eine Beteiligung des (potentiellen) Prozessgegners an der Abstimmung über alle Beschlussgegenstände aus, die verfahrensbezogene Maßnahmen betreffen. Solche verfahrensbezogene Maßnahmen sind insbesondere Beschlüsse über die Einleitung des Rechtsstreits, die Art und Weise der Prozessführung und die Frage der verfahrensrechtlichen Beendigung des Rechtsstreits. So soll die prozessuale Willensbildung frei von den Interessen des Prozessgegners getroffen werden können.

Abstimmungen über Gegenstände, die nicht verfahrensrechtliches Verhalten betreffen, sind von dem Stimmrechtsverbot nicht betroffen. Aufgrund des hohen Rangs, der der Mitwirkungsbefugnis der Wohnungseigentümer bei der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zukommt, gilt dies selbst dann, wenn die nicht auf verfahrensrechtliche Maßnahmen bezogene Beschlussfassung Auswirkungen auf den Rechtsstreit in materiellrechtlicher Hinsicht hat oder haben kann.

Ein überstimmter Wohnungseigentümer kann die von der Mehrheit beschlossenen Regelungen mit der Beschlussmängelklage angreifen. Führt die gerichtliche Überprüfung dazu, dass die Beschlüsse den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung oder den sonstigen Vorgaben des WEG - wie etwa nach § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG - nicht genügen, tritt keine Erledigung des anderen Verfahrens ein. Derartige Beschlüsse entziehen dem bereits angestrengten Prozess deshalb nicht notwendig die materiellrechtliche Grundlage.

Da mit den angefochtenen Beschlüssen der durch den Beklagten in rechtswidriger Weise herbeigeführte bauliche Zustand gebilligt werden sollte, während verfahrensrechtliche Maßnahmen nicht beschlossen wurden, konnten die Beschlüsse also nicht an dem Stimmrechtsverbot des § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG scheitern.

Ob die Billigung Bestand haben kann, hängt nach § 22 Abs. 1 WEG davon ab, ob der Kläger durch die baulichen Veränderungen in einer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehenden Weise in seinen Rechten beeinträchtigt wird, sodass gerade seine Zustimmung zu den Umbaumaßnahmen notwendig ist.

BGH vom 14.10.2011, Az. V ZR 56/11


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