(ip/pp) Über den Ausgleich von zu hohen Abschlagszahlungen bei Vorauszahlungsbürgschaft entschied aktuell das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG Brandenburg). Die Klägerin hatte im bewussten Verfahren die Beklagte Zug um Zug gegen Übergabe einer Bürgschaftsurkunde auf Zahlung von ca. 38.000,- Euro nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten aus Bürgschaft in Anspruch genommen. Sie hatte einer GmbH den Zuschlag für einzelne Lose eines Bauvorhabens "Neubau für Intensivmedizin und Intensivpflege" eines Krankenhauses erteilt. Vertragsgrundlage waren ein Angebot nebst "Anschreiben zum Nebenangebot", ferner - nachrangig - unter anderem die VOB/B. Das Anschreiben zum Nebenangebot vom 6.Februar 2007 enthielt unter anderem die folgenden Regelungen:

„Inhalt unseres Nebenangebotes ist die Gewährung von 1,5 % Nachlass bei einer gemeinsamen Beauftragung der Lose 1 (...), 2 (...) und 3 (...) und einer Vorauszahlung vor Baubeginn in Höhe von 50.000,- Euro mit Übergabe einer Vorauszahlungsbürgschaft in gleicher Höhe. Die zweite Vorauszahlung in Höhe von 50.000,- Euro erfolgt nach einem erbrachten Leistungsstand von 50.000,- Euro. Dritte bis sechste Vorauszahlung analog der zweiten, jeweils immer mit Erreichen des Leistungsstandes der zuvor geleisteten Vorauszahlung.

Nach Erreichen der sechsten Vorauszahlung und dem Gesamtleistungsstand von 300.000,- Euro brutto werden weitere Abschlagszahlungen bzw. die Schlussrechnung nach gemeinsamem Aufmaß vereinbart.
Sollte die Gestellung einer Vorauszahlungsbürgschaft aufgrund der Ausschöpfung unseres Bürgschaftsrahmens kurzfristig nicht möglich sein und somit die vereinbarte Vorauszahlung entfallen, gewähren wir nach wie vor den Nachlass in Höhe von 1,5 % - jedoch folgen die Zahlungen Ihrerseits innerhalb von 8 Tagen ohne weiteren Abzug. (...).“

Die Beklagte stellte eine Bürgschaft. Daraufhin erbrachte die Klägerin die erste Vorauszahlung von 50.000,- Euro und - auf Nachweis eines Bauleistungsstandes in entsprechender Höhe - die weiteren Vorauszahlungen von je 50.000,- EUR, mithin insgesamt 300.000,- Euro. Nachdem die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden war, kündigte die Klägerin den Bauvertrag unter Berufung auf § 8 Nr. 2 VOB/B. Die GmbH rechnete nach Durchführung eines gemeinsamen Termins zur Leistungsfeststellung ihre erbrachten Leistungen mit Schlussrechnung ab und ermittelte eine Überzahlung von ca. 35.000,- Euro. Die von der Klägerin eingesetzten Architekten errechneten unter Berücksichtigung der Kostenbeteiligungen für Bauwesenversicherung und Baustellenversorgungseinrichtungen eine Überzahlung von ca. 37.500,- Euro, deren Begleichung die Klägerin mit ihrer Klage geltend macht.

Die Parteien stritten im Wesentlichen darüber, ob die Bürgschaft - wie die Beklagte meinte - lediglich die erste Vorauszahlung über 50.000,- Euro oder aber - so die Auffassung der Klägerin - nacheinander sämtliche Vorauszahlungen abgesichert habe. Die Beklagte vertrat unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung die Auffassung, die Vorauszahlungsbürgschaft habe nur eine konkrete, und zwar die erste Vorauszahlung bis zur entsprechenden Leistungserbringung durch den Auftragnehmer gesichert; einer Auslegung der Bürgschaft mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt stünde § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB entgegen. Im Übrigen habe die Kündigung nicht auf § 8 Nr. 2 VOB/B gestützt werden können, denn diese Norm vereitele das Wahlrecht des Insolvenzverwalters. Die außerordentliche Kündigung sei in eine ordentliche Kündigung umzudeuten mit der Folge, dass der GmbH der Vergütungsanspruch für nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen zustünde.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht entschied:

„1. Der Sicherungszweck einer für bestimmte Bauleistungen gewährten Vorauszahlungsbürgschaft entfällt, wenn diese Bauleistungen erbracht wurden.

2. Im Rahmen der Schlussrechnung sind zu hohe oder zu geringe Voraus- oder Abschlagszahlungen auszugleichen. Sind solche Zahlungen in einem größeren Umfang geleistet worden, als es dem Wert der Arbeiten entspricht, so führt dies zu einem - vertraglichen - Erstattungsanspruch des Auftraggebers.

3. Die Höhe des sich aus der Gesamtabrechnung ergebenden Anspruchs begrenzt die Haftung von Sicherheiten, die für einzelne Voraus- oder Abschlagszahlungen gestellt worden sind; denn der Auftraggeber kann nicht Ersatz für einen Ausfall beanspruchen, den er gar nicht erlitten hat.

4. Der Auftraggeber hat schlüssig die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Auszahlung eines Saldoüberschusses aus einer Schlussabrechnung vorzutragen. Dazu kann er sich indes auf eine vorhandene Schlussrechnung des Auftragnehmers beziehen und darlegen, dass sich daraus ein Überschuss ergibt oder nach Korrektur etwaiger Fehler ergeben müsste. Es ist dann Sache des Auftragnehmers, dieser Berechnung entgegenzutreten.

5. Im Prozess des Auftraggebers auf Zahlung eines Überschusses trägt der Auftragnehmer die Beweislast für seinen Vergütungsanspruch, denn der Auftragnehmer ist aufgrund der vertraglichen Abrede verpflichtet nachzuweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten. Für eine anderweitige Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zahlungsprozess des Auftraggebers gegen den Bürgen, der ohnehin für das Erlöschen der Bürgschaft bzw. Beendigung der Bürgschaftsverpflichtung beweispflichtig ist, besteht kein sachlicher Grund.“

OLG Brandenburg, Az.: 4 U 44/09