(ip/RVR) Das Bundesverfassungsgericht führte über die Unzulässigkeit eines Vollstreckungsschutzantrags nach Zuschlagserteilung auch bei möglicher durch die Zwangsversteigerung bedingter Lebensgefährdung des Schuldners, aus.

Vorliegend sind die Beschwerdeführer im Grundbuch eingetragene Eigentümer eines selbstbewohnten Einfamilienhauses. In dem von der Gläubigerin in die Wege geleiteten Zwangsversteigerungsverfahren wurde am 24.07.2008 dem Meistbietenden im Termin vom 22.05.2008 zugeschlagen. Die Zuschlagsbeschwerde wies das Landgericht durch Beschluss am 17.11.2008 zurück. Dieser ist rechtskräftig. Die Beschwerdeführer beantragen am 24.11.2008 die Zwangsversteigerungsanordnung aufzuheben. Hier wird erstmals geschildert, dass der Beschwerdeführer zu 1 kürzlich an Leukämie erkrankte und das Zwangsverteigerungsverfahren schwerwiegend psychisch belastet und den Therapieerfolg beeinflussen könne.
Das Amtsgericht verwarf den Antrag als unzulässig. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Landgericht zurück. Die eingelegte Rechtsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof als unzulässig zurück, da eine Aufhebung des rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses nicht möglich ist. Dagegen legten die Beschwerdeführer eine Anhörungsrüge ein. Sie sahen sich in ihrem Grundrecht Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf Leben und körperliche Unversehrtheit, sowie Art. 103 Abs. 1 GG Ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Auch dies wies der Bundesgerichtshof zurück.

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Es ermangelt den Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG. Weder kommt der Verfassungsbeschwerde eine grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist deren Annahme zur „Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführer angezeigt, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt den Bundesgerichtshof. Die Beschlüssen dessen verletzen nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschied, sind von die Gerichte verpflichtet Darstellungen der Beteiligten „zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.“ Von einer Verletzung dessen kann im Einzelfall nur ausgegangen werden, wenn sich „klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.“ Jedoch „sind die Gericht nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen.“ Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung des rechtlichen Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Folgend aus der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es unerheblich das der Bundesgerichtshof die Ausführungen der Beschwerdeführer nicht in ihrem Sinn würdigte und gestützt auf die Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses die Beschwerde zurück wies.

Weiter führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, nicht verletzt wird. Zum einen ist von den Fachgerichten zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 765a ZPO erfüllt sind und insoweit der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzogen, soweit „nicht Willkür vorliegt oder spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist“. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zum anderen ist der Rechtsprechung folgend ein erstmalig gestellter Antrag nach § 765a Abs. 1 ZPO nach bereits rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses unzulässig. Den Gründen ist weiter zu entnehmen, dass Im Zuschlagsbeschwerdeverfahren Rechtsmängelbegründende Tatsachen nach bereits erteiltem Zuschlag, unberücksichtigt bleiben und nicht zur Aufhebung des Zuschlages führen dürfen. Dieser Grundsatz ist nach der BGH Rechtssprechung nur dann zu unterbrechen, „wenn eine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen infolge des Eigentumsverlusts durch die Zuschlagserteilung (noch) während des Verfahrens über eine gegen den Zuschlagsbeschluss zulässigerweise erhobene Beschwerde zutage tritt und dem Gericht unterbreitet wird.“ Eine Änderung oder Ergänzung des Zuschlagsbeschlusses ist nach dessen Rechtskraft nicht möglich. Das Zwangsversteigerungsverfahren ist beendet mit dessen Rechtskraft und verteilten Versteigerungserlös. Hiernach, wie der Bundesgerichtshof entschied, bleibt dem Schuldner lediglich die vorläufige Einstellung der Räumungsvollstreckung durch § 765a ZPO, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

So führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass vorliegend die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Ein Auslegungsfehler des § 765a ZPO ist nicht ersichtlich.
Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschied ist die „grundsätzliche Nichtberücksichtigung von dem Vollstreckungsgericht erst nach Zuschlagserteilung bekannt gewordenen Tatsachen bei einer Entscheidung, die die (Nicht-)Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses zum Gegenstand hat, ist verfassungsrechtlich bedenkenfrei.“

„Die Berücksichtigung neuer Tatsachen innerhalb des Verfahrens über eine zulässigerweise gegen den Zuschlag eingelegte Beschwerde trägt der Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 S 1 GG hinreichend Rechnung.“ Das Grundgesetz verlangt nicht die Schaffung eines unbefristeten, zusätzlichen Rechtsbehelfs im Zwangsvollstreckungsverfahren. Denn, so das Bundesverfassungsgericht, gehört zum Inhalt rechtsstaatlicher Verfahrensordnung die zeitliche Befristung von Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen. So wird der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung bestätigt, dass nach Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses keine weitere Rechtsschutzmöglichkeit besteht, zur Erreichung der Aufhebung der Anordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens.


BVerfG vom 11.05.2010, Az. 2 BvR 2696/09


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