(ip/RVR) Der VIII. Senat des BGH hatte zu den Voraussetzungen einer Verwertungskündigung zum Zweck der Veräußerung einer im vermieteten Zustand unrentablen und nicht oder nur unter erheblichem Preisabschlag verkäuflichen Immobilie Stellung zu nehmen

Die Beklagte hatte im Jahr 1953 von einem volkseigenen Betrieb der DDR ein dem Rechtsvorgänger der Kläger gehörendes, unter staatlicher Verwaltung stehendes Einfamilienhaus gemietet. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung mit Ablauf des Jahres 1992 traten die Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft nach dem ehemaligen Eigentümer in das Mietverhältnis ein. Im Juli 2007 erklärten die Kläger die Kündigung des Mietverhältnisses nach § 573Abs.2 Nr.3 BGB mit der Begründung, sie beabsichtigten, das verlustbringende Mietobjekt zum Zweck der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu veräußern; daran seien sie durch den Fortbestand des Mietverhältnisses gehindert.

Ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrages ein erheblicher Nachteil im Sinne des § 573Abs.2 Nr.3 BGB entsteht, ist mit Blick auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14Abs.2 GG), also auch unter Berücksichtigung des Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt verbleiben, sowie des Besitzrechts des Mieters an der Wohnung (welches auch Eigentum i.S.v. Art. 14Abs.1 S.1 GG ist und mithin grundgesetzlich geschützt) zu beurteilen.

Die im Rahmen des § 573Abs.2 Nr.3 BGB vorzunehmende Abwägung zwischen dem Verwertungsinteresse des Eigentümers und dem Bestandsinteresse des Mieters obliegt dem Tatrichter. Zwar kann das Eigentum dem Vermieter keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen, gewähren. Die dem Vermieter durch die Vermietung entstehenden Nachteile dürfen jedoch nicht weit schwerer wiegen als die Nachteile, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen würden.

Dem Berufungsgerichts war nicht ersichtlich, dass die Kläger bei Fortbestand des Mietverhältnisses erhebliche Nachteile i.S.d. § 573 Abs.2 Nr.3 erleiden würden: Als die Kläger das Objekt erwarben, sei es bereits mit dem durch die Vermietung begründeten Minderwert behaftet gewesen. Der Verkehrswert des Objekts habe sich seither nicht geändert. Die erfolgte Verwertungskündigung könne somit mangels berechtigten Interesses das Mietverhältnis nicht beenden.

Der VIII. Senat des BGH ließ diese Entscheidung nicht gelten. Das Berufungsgericht hat die hier erforderliche Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sachwidrig verkürzt auf den singulären Aspekt, ob seit dem Erwerb des Objekts durch den jetzigen Vermieter eine Verschlechterung des Verkehrswertes oder der Rentabilität eingetreten ist.

Ein erheblicher Nachteil des Vermieters i.S.d. § 573Abs.2 Nr.3 BGB kann nicht allein deshalb verneint werden, weil der Vermieter das vermietete Grundstück im Erbgang erworben hat und sich der Verkehrswert des Objekts seither nicht verschlechtert hat. Diese Annahme lässt wesentliche Umstände des Sachverhalts unberücksichtigt. Hier haben die Vermieter das Grundstück in einem schlechten und unrentablen Zustand erworben und eine seither eingetretene wesentliche Verschlechterung nicht dargetan. Es darf aber nicht übersehen werden, dass weder der Rechtsvorgänger der Kläger, von dem diese das Grundstück im Erbgang erworben haben, noch die Kläger selbst das Grundstück vermietet haben. Vielmehr ist die Vermietung durch einen volkseigenen Betrieb der ehemaligen DDR während der Zeit der staatlichen Verwaltung des Grundstücks erfolgt, worauf die Kläger ebenso wenig Einfluss hatten wie auf die Fortdauer der staatlichen Verwaltung bis zum Ablauf des Jahres 1992. Mit der Erwägung des Berufungsgerichts, bezüglich der Frage des erheblichen Nachteils sei auf den schlechten Zustand und geringen Verkehrswert des vermieteten Grundstücks im Zeitpunkt der Beendigung der staatlichen Verwaltung abzustellen, der sich seither nicht noch weiter verschlechtert habe, kann ein Vorrang des Bestandsinteresses der Beklagten gegenüber dem Verwertungsinteresse der Kläger nicht begründet werden. Diese Auffassung des Berufungsgerichts läuft darauf hinaus, Eigentümer ehemals staatlich verwalteter Wohnungen - wie den Klägern - an den bei der Aufhebung der staatlichen Verwaltung gegebenen Zuständen noch nach deren Beendigung festzuhalten und ihnen zuzumuten, weiterhin, dauerhaft Verluste ohne eine Verwertungsmöglichkeit hinzunehmen. Dies ist mit dem Eigentumsgrundrecht des Vermieters nicht vereinbar.

Den Interessen der Mieter ehemals staatlich verwalteter Wohnungen hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen hat, dass bis zum 30.April 2004 eine Berufung des Vermieters auf berechtigte Interessen gemäß § 573Abs.2 Nr.3 BGB ausgeschlossen und somit eine Verwertungskündigung nicht möglich war (vgl. Art.232§ 2 Abs.2 EGBGB in der bis zum 30. April 2004 gültigen Fassung).

Der VIII. Senat verwies die Sache deshalb zurück. Das Berufungsgericht hat zu der von den Klägern behaupteten Unrentabilität des Grundstücks, zur Höhe des Mindererlöses bei einem Verkauf im vermieteten Zustand bzw. zur Unverkäuflichkeit im vermieteten Zustand und ggf. zu den von der Mieterin geltend gemachten Härtegründen die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

BGH vom 08.06.2011, Az. VIII ZR 226/09

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