(ip/RVR) Eine der aktuellen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs befasst sich mit einer unwirksamen Zustellung des Mahnbescheids und ihren Auswirkungen auf das Verfahren.

Die Beklagte erwarb von der Klägerin mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1. Juli 2002 ein Hausgrundstück für rund 174.000 EUR. Am 27. Mai 2003 gab sie jedoch dieses an die Klägerin zurück und teilte ihr mit, dass sie keine Einwände gegen die Rückabwicklung des Vertrags erhebt. Die Klägerin verlangt nun noch rund 25.000 EUR Schadensersatz. Diesen Anspruch begründet sie damit, dass sie das Grundstück erst im Sommer 2006 für 175.000 EUR an Dritte verkaufen konnte. Die Ansprüche der Klägerin wurden im Mahnverfahren geltend gemacht. Der Mahnbescheid wurde am 18. April 2006 durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt; allerdings unter einer nicht mehr zutreffenden Anschrift. Die Beklagte war schon Ende November 2005 umgezogen, hat aber die Namensschilder an Tür und Türklingel nicht entfernt. Der Vollstreckungsbescheid wurde am 9. Mai 2006 in gleicher Weise zugestellt.
Am 25. Juli 2006 unterrichtete der Gerichtsvollzieher die Beklagte über eine bevorstehende Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Am 27. Juli 2006 erhielt sie von dem Mahngericht die Mitteilung über die Zustellung des Vollstreckungsbescheids am 9. Mai 2006.
Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 2. August 2006 Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist.

Das Landgericht wies mit Urteil vom 6. Oktober 2006 den Antrag zurück und verwarf den Einspruch als unzulässig.

Das Oberlandesgericht gewährte mit Urteil vom 11. Juli 2007 die Wiedereinsetzung, hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung an diese Instanz zurück.

Das Landgericht wies die auf Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheids gerichtete Klage ab.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Die Klägerin verfolgt ihre Klage mit der von dem Senat zugelassenen Revision weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts vom 8. April 2009 aufgehoben. Dessen Entscheidung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht die Zulässigkeit des Rechtsmittels bejaht. Zu Unrecht hat es jedoch die Ansicht des Landgerichts bestätigt, dass „die Abweisung der Klage ausschließlich auf die angenommene Verjährung des eventuellen Anspruchs gestützt ist.“

Die Revision macht indes mit Erfolg geltend, dass die Verjährung durch die innerhalb der Verjährungsfrist von der Klägerin betriebene Rechtsverfolgung gehemmt ist. Das Berufungsgericht hat dem Umstand, „dass die Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid und damit auch die Wirksamkeit der Zustellung in dem ersten erstinstanzlichen Verfahren vor dem Ablauf der Verjährungsfrist geprüft worden ist, nicht die zutreffende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb fehlerhaft die Verjährungshemmung wegen unwirksamer Zustellung des Mahnbescheids verneint.“
Es trifft zwar zu, dass, wenn der Anspruchsinhaber sich für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs im Wege des Mahnverfahrens gemäß §§ 688 ff. ZPO entscheidet, setzt der Eintritt der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die wirksame Zustellung des Mahnbescheids an den Anspruchsgegner innerhalb der Verjährungsfrist voraus. „Aber das bedeutet nicht, die Hemmung der Verjährung im Fall der unwirksamen Zustellung ausnahmslos nicht eintreten zu lassen.“ Hierbei ist darauf zu achten, ob im Einzelfall Sinn und Zweck der Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gewahrt sind. Zum einen bestehen diese darin, sicherzustellen, dass ein Anspruch nicht verjährt, wenn der Anspruchsinhaber angemessene und unmissverständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs ergriffen, vorliegend also den Erlass des Mahnbescheids beantragt hat. „Zum anderen soll der Anspruchsgegner soweit wie möglich davor gewarnt werden, dass von ihm in unverjährter Frist die Erfüllung eines Anspruchs verlangt wird.“

Der Leitsatz fasst zusammen:
„Die unwirksame Zustellung des Mahnbescheids hindert den Eintritt der Verjährungshemmung nicht, wenn der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird.“

 

BGH Urteil vom 26.02.2010, Az. V ZR 98/09


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