(ip/RVR) Das SG Freiburg vertritt in einem seiner aktuellen Urteile die Ansicht, dass die Zehnjahresfrist zur Schenkungsrückforderung nach § 529 Abs.1 BGB bzgl. eines verschenkten Hausgrundstücks nicht schon mit der Übergabe des Grundstücks beginnt, wenn das Grundstück mit einem lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch zugunsten des Schenkers belastet ist: Vor dem Einsetzen von Sozialhilfe habe der Schenker deshalb die Schenkungsrückforderung als Vermögensgegenstand zu realisieren.

Anlass zu der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Klage war die Ablehnung eines Antrags der Klägerin vom Juli 2008 auf Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Der Beklagte lehnte den Antrag ab mit der Begründung, dass die Klägerin über ein vorrangig einzusetzendes Vermögen in Form eines Schenkungsrückforderungsanspruches gegen ihre Tochter habe: Die Klägerin hatte im März 1998 ein Hausgrundstück an ihre Tochter verschenkt mit notariellem Vertrag, nach dem ihr der lebenslange unentgeltliche Nießbrauch an diesem Hausgrundstück vorbehalten wird.

Während die Klägerin nun der Ansicht ist, dass ein Schenkungsrückforderungsanspruch gegen ihre Tochter nach § 528 BGB aufgrund Ablauf der Zehnjahresfrist des § 529 Abs.1 BGB nicht mehr realisierbar sei, ist der Beklagte der Ansicht, die Zehnjahresfrist habe noch gar nicht zu laufen begonnen, da die Schenkung noch nicht vollständig vollzogen sei, solange der das Grundstück belastende Nießbrauch nicht erloschen ist.

Das SG Freiburg beschied, dass zum Vermögen der Klägerin i.S.d. § 90 Abs.1 SGB XII auch ihr Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB gehöre, sodass der Beklagte den Antrag zu Recht abgelehnt habe. Der Rückforderungsanspruch sei nicht nach § 529 Abs.1 BGB ausgeschlossen. Das SG führte hierzu aus: Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ist nach § 529 Abs.1 BGB dann ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit des Schenkers seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind. Vorliegend könne die Leistung noch nicht als vollzogen angesehen werden, weil das verschenkte Grundstück mit einem lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch zugunsten der Schenkerin belastet ist. Denn zur Verhinderung von Missbrauch der Vorschrift des § 529 Abs.1 BGB müsse der Schenker einen spürbaren Vermögensverlust erleiden, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre zu tragen hat. Durch die Belastung mit einem lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch habe die Schenkerin alle Vorteile des Grundstücks selbst weiter ziehen können und somit ihr Geschenk nie tatsächlich an die Beschenkte geleistet. Der einzige Nachteil – das Grundstück nicht mehr veräußern zu können – soll auf den Träger der Sozialhilfe übergewälzt werden, der aufgrund der veränderten Eigentumslage nunmehr Sozialhilfe auskehren soll. Um einen solchen Missbrauch auszuschließen, sei die „Leistung des geschenkten Gegenstandes“ in § 529 Abs.1 BGB erst bei einem lastenfreien Übergang vollzogen. Solange ein solcher, wie hier, nicht erfolgt ist, bestehe im Falle der Verarmung des Schenkers die Möglichkeit der Rückforderung weiterhin und könne nicht durch die Frist des § 529 Abs.1 BGB ausgeschlossen sein.

Das SG Freiburg überträgt also die Rechtsprechung des BGH zu § 2325 Abs.3 BGB auf die hier streitige Konstellation. Nach dieser Rechtsprechung des BGH liegt eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs.3 BGB nur vor, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand - sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte, sei es durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche - im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.

Das SG sieht die dem § 2325 Abs.3 BGB zugrundeliegende Interessenlage als der hier streitigen Konstellation der Verarmung des Schenkers und darauf gestützter Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers vergleichbar an: In beiden Fällen soll der Missbrauch der Schenkung zu Lasten eines Dritten verhindert werden, der auf die Schenkung ohne Einfluss ist. Im Falle des § 2325 Abs. 3 BGB handelt es sich dabei um den Pflichtteilsberechtigten, dessen Pflichtteil nicht durch eine Schenkung geschmälert werden soll, deren vermögensrechtliche Folgen der Erblasser aufgrund des vorbehaltenen dinglichen Nutzungsrechts nicht zumindest zehn Jahre zu spüren bekam. Unter denselben Schutz ist der Träger der Sozialhilfe im Falle des § 529 Abs. 1 BGB zu stellen, der ansonsten aus Steuermitteln die Verarmung eines Schenkers auffangen müsste, der die vermögensrechtlichen Folgen seiner Schenkung nicht zumindest zehn Jahre zu spüren bekam.

Stimmen in der Literatur, die die Rechtsprechung des BGH zu § 2325 Abs. 3 BGB für nicht übertragbar auf § 529 Abs. 1 BGB halten, stützen dies darauf, dass Drittinteressen bei § 529 Abs. 1 BGB – anders als bei § 2325 Abs. 3 BGB – keine Rolle spielen würden. Das Interesse des Beschenkten, auf die Rechtsbeständigkeit einer Schenkung nach zehn Jahren vertrauen zu können, sei größer, weil es um eine etwaige Benachteiligungsabsicht – wie sie im Zusammenhang mit § 2325 Abs.3 BGB der maßgebende Gedanke sei – in der Schenkung nicht gehe. Wie gezeigt ist dies jedoch fragwürdig für solche Konstellationen, in denen bei Verarmung des Schenkers der Sozialhilfeträger angegangen wird. In diesen Fällen ist nach Ansicht des SG Freiburg als Dritter der Sozialhilfeträger zu berücksichtigen, da dessen Interesse an einem Schutz vor einer möglichen Benachteiligungsabsicht sonst verkannt würde.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der BGH in einem ähnlichen Sachverhalt kurz vor Verkündung dieses Urteils des SG Freiburg entschied, dass der Beginn der in § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB vorgesehenen Zehnjahresfrist nicht dadurch gehindert werde, dass sich der Schenker an dem verschenkten Grundstück ein lebenslanges Nutzungsrecht vorbehält (BGH vom 19.07.2011, Az. X ZR 140/10).

SG Freiburg, Urteil vom 27.7.2011, Az. S 6 SO 6485/09


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