(ip/pp) Inwieweit die Übertragung bestimmter Geschäfte an den Rechtspfleger durch Anordnung im Einzelfall zulässig ist, war Gegenstand eines aktuellen Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof (BGH).Die Beteiligte betrieb die Zwangsversteigerung eines mit einem Studentenwohnheim bebauten Grundstücks, dessen Verkehrswert auf ca. 1.700.000,- Euro festgesetzt wurde. Eigentümer war eine weitere Beteiligte.

In dem Versteigerungstermin, der von der zuständigen Rechtspflegerin durchgeführt wurde, bot der Meistbietende 1.200.000,- Euro. In dem zur Verkündung des Zuschlags bestimmten Termin erschien der beteiligte Eigentümer und legte einen wenige Tage zuvor abgeschlossenen notariellen Kaufvertrag vor, mit dem er das zu versteigernde Grundstück an einen Dritten zu einem Preis von 1.240.000,- verkauft hatte. Die Rechtspflegerin bestimmte einen neuen Termin zur Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag. Die Beteiligte erklärte, dass sie keine Löschungsbewilligung für die für sie eingetragene Grundschuld von 1.800.000,- Euro zzgl. Zinsen erteilen werde. Auf Grund eines Befangenheitsantrags des Eigentümers gegen die Rechtspflegerin wurde der Termin zur Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag mehrfach verlegt – bis zu einem Zeitpunkt, an dem die Rechtspflegerin erkrankt war. Der für die Zwangsvollstreckungen beim Amtsgericht zuständige Gruppenleiter erließ am 16. Januar 2009 eine Anordnung, nach der er in den Verfahren mit der Endziffer 6 (zu denen u. a. diese Sache gehörte) die Rechtspflegerin vertrat und schlug das Grundstück dem Dritten zu.

Das Landgericht hat die Zuschlagsbeschwerde des Eigentümers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Antrag weiter, den Zuschlag zu versagen.

Der BGH entschied: Das Beschwerdegericht sei der Auffassung, dass der Schuldner zwar weder dem gesetzlichen Richter noch dem gesetzlichen Rechtspfleger entzogen werden dürfe und daher alle Entscheidungen - soweit sie nicht nur von untergeordneter Bedeutung seien - von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Rechtspfleger getroffen werden müssten. Ein Verstoß gegen diese Grundsätze liege hier aber nicht vor.

Es sei nicht zu beanstanden, dass die Verteilung der Geschäfte der Rechtspfleger am betreffenden Amtsgericht nach einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums des Landes durch eine Anordnung der Direktorin des Amtsgerichts bestimmt worden sei, die jedoch nur die Verteilung der Geschäfte und regelmäßige Vertretung der Rechtspfleger regele, die Bestimmung der Vertretung bei einer außergewöhnlichen Verhinderung (wie Krankheit) aber dem zuständigen Gruppenleiter überlasse. Die Vertretung der erkrankten Rechtspflegerin sei daher zulässigerweise durch eine von der allgemeinen Vertretungsregelung abweichende Verfügung des Gruppenleiters geregelt worden, der danach (auch) für dieses Verfahren zuständig gewesen sei.

Die betreffende Rechtsbeschwerde sei jedoch unbegründet: „Der von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte Versagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG besteht nicht. Der angefochtene Beschluss ist im Ergebnis deshalb richtig, weil Entscheidungen eines Rechtspflegers auch dann nicht unwirksam sind, wenn die Regelung zur Verteilung der Geschäfte der Rechtspfleger an dem Gericht nicht den für die Bestimmung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG) geltenden Grundsätzen entspricht.

1. In einem Rechtsmittelverfahren ohne Sachprüfung aufzuheben sind allein die Entscheidungen eines funktionell unzuständigen Rechtspflegers, der in einem dem Richter vorbehaltenen Geschäft tätig geworden ist ... Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil der Zuschlagsbeschluss zu den dem Rechtspfleger übertragenen Geschäften nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung gehört (§ 3 Nr. 1 Buchstabe i RPflG). Ob eine funktionelle Unzuständigkeit auch dann anzunehmen ist, wenn der (hier durch Erteilung des Zuschlags) entscheidende Rechtspfleger von dem Präsidenten oder Direktor des Gerichts mit Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 RPflG überhaupt nicht betraut worden ist ... , bedarf hier deshalb keiner Entscheidung, weil der Gruppenleiter nach dem von der Direktorin des Amtsgerichts aufgestellten Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2009 als Rechtspfleger mit Zwangsvollstreckungssachen in das unbewegliche Vermögen betraut war.

2. Der Zuschlagsbeschluss ist nicht - wie aber die Rechtsbeschwerde meint - deshalb aufzuheben, weil die Verteilung der Geschäfte der Rechtspfleger in dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts ... für das Jahr 2009 nicht durchgängig allgemein geregelt worden ist, sondern in besonderen Fällen (Erkrankung) dem zuständigen Gruppenleiter überlassen wurde.

a) Richtig ist nur der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerde, dass eine solche Regelung zur Verteilung der richterlichen Geschäfte nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unzulässig wäre. Die Justiz darf nicht dadurch einer Manipulation der rechtsprechenden Organe nach sachfremden Gesichtspunkten ausgesetzt werden, dass im Einzelfall durch die Auswahl des zur Entscheidung berufenen Richters auch das Ergebnis beeinflusst werden kann ... . Wenn eine Geschäftsverteilung eine Bestimmung des zuständigen Richters durch eine ad hoc getroffene Entscheidung zulässt, ist diese auf ein Rechtsmittel ohne Sachprüfung aufzuheben ... . Dasselbe müsste man für den Zuschlagsbeschluss annehmen, wenn - wovon das Beschwerdegericht ausgegangen ist - diese Grundsätze auch für die Verteilung der den Rechtspflegern übertragenen Geschäfte gelten würden.

Der Leitsatz fasst zusammen:

„a) Die Vorschriften über den gesetzlichen Richter sind auf Rechtspfleger weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.

b) Aus den Bestimmungen des Rechtspflegergesetzes ergibt sich nicht, dass die Verteilung der von den Rechtspflegern zu erledigenden Geschäfte im Voraus nach einem abstrakt-generellen Maßstab bestimmt sein muss. Die Übertragung bestimmter Geschäfte an den Rechtspfleger durch Anordnung im Einzelfall (ad hoc) ist zulässig.“

Der komplette Urteilstext kann hier abgerufen werden:

BGH, Az.: V ZB 111/09