(ip/RVR) Das OLG Hamm beschied erneut, dass eine qualifizierte Vollstreckungsklausel nach § 726 Abs. 2 ZPO, für deren Erteilung der Rechtspfleger zuständig ist, nicht lediglich anfechtbar, sondern unwirksam ist, wenn sie vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - in Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit - erteilt wurde.

Die Gläubigerin will hier die Zwangsvollstreckung aus einem Vergleich betreiben aufgrund einer entsprechenden Vollstreckungsklausel, die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des LG Dortmund erteilt wurde. Nach dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Vergleich ist der Gläubigerin eine Geldsumme geschuldet, die jedoch erst fällig wird, nachdem sie eine Gesamtrechnungsstellung aller von ihr errechneten und behaupteten Forderungen erstellt hat. Dies stellt eine aufschiebende Bedingung i.S.d. § 726 Abs. 1 ZPO dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung darf deshalb nur erteilt werden, wenn hierzu der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt ist. Funktionell zuständig zur Erteilung einer sog. qualifizierten Klausel nach § 726 ZPO ist gemäß § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger. Hier wurde die Klausel entgegen dieser Vorschrift vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und nicht vom Rechtspfleger ausgestellt. Der erkennende Senat des OLG Hamm sieht die Klausel aufgrund dieses Verstoßes gegen die funktionelle Zuständigkeit als unwirksam an, sodass in seinen Augen die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen hier nicht vorlagen. Er zitierte hierzu aus seiner Entscheidung vom 02.04.1987, Az. W 81/87, wo ausgeführt wurde, dass im allgemeinen Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen Akte der Rechtspflege als Äußerung staatlicher Hoheitsgewalt in Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar machen; ein schwerwiegender Mangel jedoch könne über die bloße Anfechtbarkeit hinaus die Nichtigkeit begründen. Im Zwangsvollstreckungsrecht sei ein solcher, zur Nichtigkeit führender Mangel in der Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit durch nichtrichterliche Vollstreckungsorgane zu sehen.

Erteilt wie hier der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit eine vollstreckbare Ausfertigung gem. den §§ 894 Abs. 1 S. 2, 726 Abs. 1, 2 ZPO, die die Zwangsvollstreckung ersetzt, stellt die vollstreckbare Ausfertigung selbst jenen Eingriff in die Rechtssphäre des Schuldners dar, der sonst mit der Herbeiführung der Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Die Befugnis zu dieser Maßnahme, die mit einer höheren Verantwortung verbunden ist als die Erteilung einer einfachen Klausel, habe das Gesetz eben wegen ihrer besonderen Folgen nicht dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern dem Rechtspfleger verliehen, der im Vergleich zu einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eine erheblich umfangreichere juristische Ausbildung erhalten hat. Der hier vorliegende Mangel ist offenkundig, da er sich aus der Funktions- und überdies der Dienstbezeichnung des Unterzeichners der Vollstreckungsklausel ergibt.

Die Annahme der Unwirksamkeit bei einer Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ergebe sich bereits aus der gesetzlichen Wertung des § 8 Abs. 4, 5 RpflG. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung ist ein vom Rechtspfleger wahrgenommenes Richtergeschäft unwirksam, wenn es dem Rechtspfleger weder übertragen noch zugewiesen noch übertragbar war. Demgegenüber berührt die Vornahme durch den Rechtspfleger die Wirksamkeit eines vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrzunehmenden Geschäfts nicht (§ 8 Abs. 5 RPflG). Hieraus schließt der Senat, dass die Wahrnehmung von Rechtspflegergeschäften durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, bei der Sonderfälle wie die in § 8 Abs. 4 RPflG für das Verhältnis zwischen Richter und Rechtspfleger geregelten nicht in Betracht kommen, stets zur rechtlichen Unwirksamkeit führt. Der Senat führt weiters ins Feld, dass auch in anderen Bereichen, z.B. in Grundbuchsachen, in denen ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ein Geschäft des funktionell zuständigen Rechtspflegers wahrgenommen hat, die Zuständigkeitsüberschreitung dazu führt, dass das Geschäft nichtig ist. Eine Differenzierung danach, in welchen Bereichen es zur Zuständigkeitsüberschreitung gekommen ist, ist nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt.

Der Senat ließ die Rechtsbeschwerde zu, weil er der behandelten Frage zur Wirksamkeit einer von einem funktionell unzuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilten Vollstreckungsklausel wegen der Divergenz zur Rechtsprechung des OLG Zweibrücken grundsätzliche Bedeutung zumisst.

OLG Hamm vom 01.04.2011, Az. 15 W 19/11


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