(ip/RVR) Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem mit der Schuldnerin geschlossenen Prozessvergleich und aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss. In dem Vergleich verpflichtete sich die Schuldnerin dazu, der Gläubigerin von dieser zu bezeichnende Unterlagen spätestens bis zum 1. Oktober 2008 zur Verfügung zu stellen; darüber hinaus sollte die Schuldnerin bis zum 1. September 2008 Bürgschaftsurkunden herausgeben. Im August 2008 wurde der Gläubigerin eine mit Vollstreckungsklausel nach § 725 ZPO versehene Ausfertigung des der Schuldnerin später zugestellten Vergleichs erteilt. Die vollstreckbare Ausfertigung eines mit 843,14 Euro zugunsten der Gläubigerin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses wurde der Schuldnerin ebenfalls zugestellt. Wegen der vorbezeichneten Zahlungsansprüche erließ das Amtsgericht am 21. Oktober 2008 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem Forderungen der Schuldnerin gegen die Bank gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurden. Gegen den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hat die Schuldnerin bei dem Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) "Rechtspflegererinnerung, hilfsweise sofortige Beschwerde" eingelegt und zur Begründung angeführt, dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss liege kein vollstreckungsfähiger Titel zugrunde. Darüber hinaus fehle es an der Zustellung eines mit Vollstreckungsklausel versehenen Titels und an der Erteilung einer Vollstreckungsklausel überhaupt. Auch die Voraussetzungen, unter denen sie nach den im Vergleich getroffenen Regelungen zur Zahlung der dort genannten Geldbeträge verpflichtet sei, seien nicht erfüllt. Die Klausel habe nur erteilt werden dürfen, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt worden sei. Der Amtsrichter wies das als Erinnerung nach § 766 ZPO behandelte Rechtsmittel zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin, mit der sie die Auffassung vertreten hat, eine Vollstreckung aus dem Vergleich hätte erst nach Erteilung einer qualifizierten Klausel gemäß § 726 ZPO erfolgen dürfen, blieb ebenfalls ohne Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht (Einzelrichter) zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Schuldnerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass die Rechtsbeschwerde Erfolg hat, denn die Einzelrichterentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen sei. Der Einzelrichter durfte über die Zulassung nicht selbst entscheiden, so der BGH, sondern hätte das Verfahren gemäß § 568 Abs. 2 Nr. 2 ZPO der Kammer übertragen müssen. Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen: Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Voraussetzungen für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hätten nicht vorgelegen, weil eine gemäß § 726 Abs. 1 ZPO erforderliche qualifizierte Vollstreckungsklausel nicht erteilt gewesen sei. “Das ist hinsichtlich der im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Forderung schon deshalb nicht zutreffend, weil deren Vollstreckung offenkundig nicht von einer Bedingung abhängt.” Darüber hinaus kommt es für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen der im Vergleich titulierten Zahlungsansprüche nicht darauf an, ob die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs statt mit der unstreitig nach § 725 ZPO erteilten Klausel mit einer qualifizierten Vollstreckungsklausel gemäß § 726 Abs. 1 ZPO hätte versehen werden müssen.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht (Einzelrichter) zurückverwiesen.

Der Leitsatz fasst zusammen:

„Im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO ist der Einwand des Schuldners grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle habe die der Vollstreckung zugrunde liegende Klausel nach §§ 724, 725 ZPO zu Unrecht ohne die gemäß § 726 Abs. 1 ZPO erforderlichen Nachweise erteilt.“

BGH vom 12.01.2012, Az. VII ZB 71/09


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