(ip/pp) Hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Nachbarschutzes gegen eine Kfz-Werkstatt hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarland jetzt zu befinden. Die klagenden Antragsteller waren Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Sie wandten sich gegen eine dem Beigeladenen genehmigte Kfz-Werkstatt auf einem benachbarten, nicht beplanten Anwesen. Dort befanden sich auf der Grenze ein ca. 80 m langes und aus verschiedenen Abschnitten bestehendes Hallengebäude und ein weiteres Haus, sowie auf der benachbarten Parzelle ein Wohngebäude.

Der Antragsgegner hatte dem Beigeladenen im Einvernehmen mit der Stadt und nach Beteiligung des Landesamts für Umweltschutz einen positiven Bauvorbescheid für den "Einbau einer Kfz-Werkstatt" in die bisher anderweitig gewerblich genutzten Gebäude, das Anlegen eines Freiplatzes zur Ausstellung von PKW und die Umnutzung einer Garage zur Durchführung von Fahrzeugaufbereitungsarbeiten erteilt.

Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch, der nach eigenen Angaben mit einer zuvor abgelehnten eigenen Bauvoranfrage "zusammenhängt". Der Antragsgegner hatte einen zuvor gestellten Antrag auf Erteilung eines positiven Bescheids für die Einrichtung eines Außenlagers für seinen Dachdeckerbetrieb und den Neubau einer Lagerhalle auf einem dem Gelände des Beigeladenen unter Verweis auf die Unzulässigkeit des Vorhabens in einem hier anzunehmenden faktischen allgemeinen Wohngebiet negativ beschieden. Zur Begründung ihres Widerspruchs verwies die Antragstellerin auf diese Gebietseinstufung, welche auch die Genehmigung des Betriebs des Beigeladenen nicht zulasse.

Das OVG entschied wie folgt:

“1. Lassen sich die Erfolgsaussichten im Aussetzungsverfahren aufgrund der verfahrensformbedingt eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht abschließend positiv beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung nur Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung ergibt.

2. Da der § 34 BauGB mit seinen Kriterien für die städtebauliche Zulässigkeit baulicher Nutzungen in der unbeplanten Ortslage allein an die faktischen Gegebenheiten der maßgeblichen, das Baugrundstück prägenden Umgebungsbebauung anknüpft, sind in dem Zusammenhang ungenehmigte Nutzungen nur dann auszuscheiden, wenn die Bauaufsichtsbehörde sich mit ihnen erkennbar nicht abgefunden hat und dagegen auch vorgeht.

3. Jedenfalls in einem im Einzelfall nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Zeitraum, in dem mit der Wiederaufnahme gerechnet werden kann, ist von einer fortdauernden Prägung auch aufgegebener Nutzungen für den Gebietscharakter auszugehen.

4. Bei der im Baunachbarstreit um eine Baugenehmigung im Rahmen des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots anzustellenden Zumutbarkeitsbetrachtung lassen sich Abwehrrechte des Nachbarn nicht aus vom Genehmigungsinhalt nicht gedeckten Verhaltensweisen oder gar "Benutzerexzessen" Dritter herleiten (hier: angeblich rücksichtsloses Fahrverhalten der Kunden einer Autowerkstatt).

5. Für baunachbarliche Eilrechtsschutzverfahren, und zwar sowohl für Anträge auf die Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörden zum sofortigen Einschreiten gerichtete Eilrechtsschutzbegehren (§§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 123 Abs. 1 VwGO) als auch für die im Falle des Vorliegens einer die Nutzung legitimierenden bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsentscheidung im Einzelfall notwendig "vorgeschalteten" Aussetzungsanträge von Nachbarn ist ein überwiegendes Nachbarinteresse an der in beiden Fällen im Ergebnis angestrebten sofortigen Unterbindung von Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung einer bereits vorhandenen baulichen Anlage verursacht werden, nur dann anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf den Nachbarn ganz wesentlich über das im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen, so dass ihm die Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in zumutbarer Weise angesonnen werden kann.

6. Auch das verfassungsrechtliche Effektivitätsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine verfahrensmäßige "Vorwegnahme" des Hauptsacheverfahrens, insbesondere hinsichtlich der Tatsachenermittlung. Die sich aus § 212a Abs. 1 BauGB ergebenden Nachteile für den Nachbarn, aber auch die damit einhergehenden wirtschaftlichen Risiken für den Bauherrn angesichts der Möglichkeit eines späteren Erfolgs des Nachbarrechtsbehelfs in der Hauptsache hat der Gesetzgeber in Kauf genommen.

7. Der Senat bewertet das Interesse eines privaten Wohnnachbarn, der sich gegen eine Baugenehmigung für eine bei typisierender Betrachtung der Umgebung durch nicht unwesentliche Immissionsbelastungen in Erscheinung tretende gewerbliche Nutzung - hier eine Kfz-Werkstatt - wendet, hauptsachebezogen mit regelmäßig 15.000,- EUR (Änderung der Rechtsprechung).

OVG Saarland, Az.: 2 B 347/08