(ip/RVR) Der V. Zivilsenat des BGH sollte sich kürzlich mit der Frage befassen, „unter welchen, gegenüber dem Normalfall gesteigerten Umständen ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Nachbarn besteht“. Anlass hierzu war ein Streit zwischen zwei Nachbarn über den Ersatz von Schäden aus Wassereinbruch: Das niedrigere Haus des Beklagten liegt mit Dach und Regenrinne an der Außenwand des Hauses des Klägers an; das Eindringen von Regenwasser in die nachbarliche Außenwand soll durch ein an die Regenrinne anschließendes Wandabschlussblech verhindert werden; nach starken Regenfällen kam es zu einem massiven Wassereintritt in das Haus der Kläger, den diese auf den schadhaften Zustand des Abschlussblechs zurückführen.

Das Berufungsgericht verneinte den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch der Kläger in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Es war der Ansicht, zwischen den Parteien bestehe ein `nachbarschaftliches´ Schuldverhältnis, sodass der Beklagte gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen positiver Verletzung dieses nachbarschaftlichen Schuldverhältnisses zum Schadensersatz verpflichtet sei: Der Beklagte habe die aus § 26 Abs. 1 NRG HE folgende Pflicht verletzt, seine bauliche Anlage so einzurichten, dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück gelange, und nicht dargelegt, dass die Pflichtverletzung von ihm nicht zu vertreten sei (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Der V. Senat stellte zunächst richtig, dass sich ein Schadensersatzanspruch der Kläger mangels Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen den Parteien nicht aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben kann. Zwischen Nachbarn gelten die besonderen Vorschriften der §§ 905 ff. BGB, die auf dem Grundsatz fußen, dass jeder Eigentümer mit seiner Sache nach Belieben verfahren kann (§ 903 BGB). Diese Vorschriften bilden keine selbständige Grundlage für Rechte und Pflichten, wie es für ein gesetzliches Schuldverhältnis kennzeichnend ist.

Für die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses besteht hier auch kein Bedürfnis, da die Kläger durch § 26 Abs. 1 NRG HE hinreichend geschützt sind. Kommt ein Grundstückseigentümer der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtung nicht nach und dringt deshalb Wasser in das benachbarte Haus ein, liegt eine rechtswidrige Einwirkung auf das Eigentum des Nachbarn vor, welche Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche (§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB) begründet. Ein solcher deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch der Kläger kam hier in Betracht; da aber die im Urteil des Berufungsgerichts getroffenen Feststellungen zur Schadensursache in sich widersprüchlich waren, war das Urteil aufzuheben. Der Senat wies für das weitere Verfahren darauf hin, dass neben dem deliktsrechtlichem Schadensersatzanspruch auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch der Kläger (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung) in Betracht kommt.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nicht auf feinstoffliche Einwirkungen beschränkt, sondern erfasst auch Grobimmissionen. Er kann daher gegeben sein, wenn (Niederschlags- oder Leitungs-) Wasser von einem Nachbargrundstück übertritt.
Entscheidend ist, dass es sich um eine rechtswidrige Einwirkung handelt, die der Eigentümer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden konnte, und dass er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen.

Einem Anspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB steht die Sonderbestimmung des § 26 Abs. 1 NRG HE nicht entgegen. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist zwar subsidiär und kommt daher nur in Betracht, wenn nicht eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschließend regelt. Das kann hier aber schon deshalb nicht angenommen werden, weil das Hessische Nachbarrecht zu den Folgen eines Verstoßes gegen § 26 NRG HE keine Aussage trifft. Eine an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung (§ 823 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB) stellt keine abschließende Sonderregelung dar, die einem Rückgriff auf den Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegenstünde.

BGH vom 15.07.2011, Az. V ZR 277/10


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