(ip/RVR) Der V. Zivilsenat des BGH entschied kürzlich, dass die Rechte des Käufers wegen Mängeln nicht nach § 442 BGB ausgeschlossen sind, wenn der Käufer bei Abschluss eines formnichtigen, erst durch Grundbucheintragung wirksam gewordenen Kaufvertrages keine Kenntnis von dem Sachmangel hatte, auch wenn er im Zeitpunkt der Eintragung den Sachmangel kennt.

Veranlasst wurde diese Entscheidung durch folgenden Sachverhalt: Zwischen den Parteien war ein Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung, verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an oberirdischen PKW-Abstellplätzen, sowie über das Teileigentum an zwei Räumen im Souterrain geschlossen worden. Einige Zeit danach erfolgte die Umschreibung des Eigentums auf die nunmehrigen Kläger. Bei seinem Abschluss war der Vertrag gem. § 125 Satz 1 BGB unwirksam, weil die zwischen den Parteien getroffene Abrede über die Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises ('Mietzuschuss') - die als Teil des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts gem. § 311b Abs.1 Satz 1 BGB beurkundungspflichtig ist - nicht beurkundet wurde. Durch die Eintragung der Kläger in das Grundbuch ist die Formunwirksamkeit des Kaufvertrages geheilt worden, § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB, jedoch nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung ex nunc.

Die Parkplätze sind bislang nicht geschaffen worden und die Souterrainräume sind nicht zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck nutzbar. Die Kläger begehren nun - nachdem sie den Beklagten erfolglos zur Beseitigung der Mängel aufgefordert haben (§ 439 Abs.1 BGB) – die Minderung des Kaufpreises (§§ 437 Nr.2, 441 Abs.1, Abs.4 Satz 1 BGB), hilfsweise Schadensersatz.

Die Mängel sind den Klägern vor ihrer Eintragung als Eigentümer, somit vor Wirksamwerden des Vertrags bekannt geworden. Fraglich war hier die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 442 Abs.1 Satz 1 BGB, wonach die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen sind, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt: Auf welchen Zeitpunkt es für die Kenntnis des Käufers von Mängeln ankommt, wenn ein formunwirksamer Grundstückskaufvertrag erst mit seiner Eintragung in das Grundbuch nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam wird, ist umstritten.

Der Senat hatte diesbezüglich bislang nur entscheiden, dass jedenfalls wenn der Käufer die Unwirksamkeit der Vertrags nicht kannte, auch in einem solchen Fall der Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung entscheidend ist. Demgegenüber wird zum Teil angenommen, dass stets der Kenntnisstand des Käufers im Zeitpunkt seiner Eintragung in das Grundbuch maßgeblich sei. Der Senat führt nunmehr seine Rechtsprechung fort, indem er entschied, dass der Zeitpunkt der Abgabe der Willensentscheidung maßgeblich ist, auch wenn dem Käufer die Unwirksamkeit des Vertrages schon bekannt war.

Der Senat führte hierzu aus: Der Vorschrift des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass wenn der Käufer den Kauf trotz des Mangels gewollt hat, er also bei Abgabe seiner Willenserklärung Mängel der Kaufsache gekannt hat, angenommen werden kann, dass er den vereinbarten Kaufpreis auch in Ansehung des Mangels für angemessen hielt oder aus sonstigen Gründen bereit war, diesen aufzuwenden.

Ein solcher konkludenter Verzicht des Käufers auf Rechte wegen Mängeln der Kaufsache kann hingegen nicht darin gesehen werden, dass ein Käufer, der erst nach Abgabe der beiderseitigen auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen von Mängeln der Kaufsache erfährt, die Heilung des Vertrages fördert oder jedenfalls nicht verhindert. Der Käufer gibt so lediglich zu erkennen, dass er sich nicht auf den Formmangel berufen möchte, also an den getroffenen Vereinbarungen festhalten und diesen - mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten - zur Wirksamkeit verhelfen will. Da ebenso wie im Fall der Heilung nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB die tatsächliche Vermutung gerechtfertigt ist, dass die Vertragspartner einander das Gleiche wie bei Abschluss des Vertrages gewähren wollen, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Vertragspartei, die die Eigentumsumschreibung fördert bzw. nicht verhindert, von dem Willen geleitet ist, den Vertrag so zu behandeln, als wäre er von Anfang an wirksam. Dazu gehört, dass der Verkäufer gemäß den getroffenen Vereinbarungen für Mängel haftet, die bei den Vertragsverhandlungen keine Berücksichtigung gefunden haben, weil sie dem Käufer erst nach Abschluss des (noch unwirksamen) Vertrages bekannt geworden sind.

Auch die Interessen des Verkäufers rechtfertigen es nicht, auf die Heilung als maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung im Sinne von § 442 Abs. 1 BGB abzustellen.

Denn kennt er den Formmangel nicht, muss er ohnehin mit der Haftung für Mängel rechnen, die dem Käufer bei Abschluss des Vertrages unbekannt waren; kennt der Käufer den Formmangel, ist es nicht treuwidrig, wenn er den Verkäufer nicht auf die Möglichkeit hinweist, den noch unwirksamen Vertrag nach den §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln, um auf diese Weise der Haftung zu entgehen. Denn hierdurch handelte der Käufer, weil er dann das Risiko zwischenzeitlicher Dispositionen und vor allem das Insolvenzrisiko hinsichtlich des gezahlten Kaufpreises trüge, gegen seine eigenen Interessen.

Weiß der Verkäufer hingegen um die Formunwirksamkeit und verhindert er seinerseits nicht die Eintragung seines Vertragspartners in das Grundbuch, gibt auch er zu erkennen, dass er an dem Vertrag festhalten möchte und damit bereit ist, für etwaige Sachmängel so einzustehen, als wäre der Vertrag von Anfang an wirksam gewesen.

Dass der Käufer auf diese Weise, z.B. über eine Minderung, eine Kaufpreisreduzierung durchsetzen kann, über die die Parteien nicht verhandelt haben, ist nicht unbillig. Denn auch insoweit steht der Verkäufer nicht anders als er stünde, wenn der Vertrag von Anfang an wirksam gewesen wäre.

BGH vom 27.05.2011, Az. V ZR 122/10


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