(ip/RVR) Der Bundesgerichtshof hatte kürzlich über den Kostenvorschussanspruch des Mieters zur nachhaltigen Mangelbeseitigung zu entscheiden.

Die Klägerin (Mieterin) verlangt von der Beklagten (Vermieterin) die Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung an einem Reihenhaus in Dresden, das sie mit Vertrag vom 2. Mai 1988 von dem Rechtsnachfolger der Beklagten mietete. Die Beklagte verzichtete gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Privatisierung des Wohnungsbestandes der Stadt Dresden im Rahmen der „Dresdner Sozialcharta“ auf das Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs und wegen Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Mietobjekts.
Das Haus weist an den Innen- und Außenwänden erhebliche Risse auf. Diese Risse sind die Ursache für die Schäden am Schornstein und am Dach sowie an Fenstern und Türen. Seit August 1995 hat die Beklagte Kenntnis von diesen Schäden.
Seit dem Jahr 1990 bemühte sich die Klägerin um einen Ankauf der Immobilie. Die Beklagte lehnte das Kaufangebot mit Schreiben vom 13. Februar 2001 endgültig ab.
Mit Schreiben vom 7. September 2001 verlangte die Klägerin erstmals die Beseitigung der Mängel. Am 10. März 2004 ließ die Beklagte das Haus, nachdem es im Jahr 2002 zu Wassereinbrüchen gekommen war, von einem Sachverständigen besichtigen und Notreparaturen am Dach durchführen.
Am 10. März 2005 brachte das von der Beklagten beauftragte Ingenieurbüro S. Prüfplaketten an den Wänden des Hauses an, um die Rissbildung zu verfolgen.
Am 25. September 2007 legte die Klägerin der Beklagten ein Gutachten des Architekturbüros K. vor und drohte an, Klage zu erheben, wenn die Beklagte nicht innerhalb von zehn Tagen anerkenne, dass die Schäden zu beseitigen seien, und entsprechende Vorschläge unterbreitet würden. Der von der Klägerin beauftragte Gutachter führte auftragsgemäß keine Untersuchung der Ursache für die festgestellten Schäden durch. Er bezifferte die Kosten für eine Beseitigung der Risse auf über 47.000,- Euro. Er wies jedoch darauf hin, dass es vor Beginn dieser Arbeiten notwendig sei, die Ursache für die protokollierten Rissbilder im Gebäude festzustellen und nach Möglichkeit zu beseitigen.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 antwortete die Beklagte, dass eine Risssanierung ohne dauerhaften Erfolg wäre, wenn weitere Setzungserscheinungen aufträten. Sie teilte ergänzend mit, dass die Auswertung der neu gesetzten Gipsplomben bis zum 15. Februar 2008 erfolgen werde. Die Sanierung wird umgehend in Auftrag gegeben, wenn keine oder nur noch geringfügige Setzungserscheinungen vorhanden sein werden. Eine Risssanierung wird jedoch nicht erfolgversprechend sein, wenn ein Fortschreiten der Rissbildung festgestellt wird.
Mit Schreiben vom 14. April 2008 wurde die Beklagte von der Klägerin vergeblich aufgefordert, das Ergebnis der Auswertung mitzuteilen. Daraufhin erhob die Klägerin Klage auf Zahlung von über 47.000,- Euro, um mit diesem Betrag die in dem Gutachten des Architekturbüros K. vorgesehenen Arbeiten durchführen zu lassen. Darüber hinaus begehrt sie die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten. Die Klägerin hat behauptet, dass sich die Mängel des Hauses beseitigen ließen, weil die Rissbildung abgeschlossen sei.
Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, dass eine dauerhafte Beseitigung der Risse wie auch der weiteren Mängel mit einem Sanierungsaufwand von über 47.000,- Euro nicht möglich sei. Sie bezieht sich insoweit auf das Gutachten des Ingenieurbüros S. vom 2. Mai 2007, demzufolge die Risse weiterhin in Bewegung sind. Die Schätzung der Gesamtkosten für die Risssanierung kann nur mit Erkenntnissen aus dem Baugrund und den weiteren Untersuchungen am Bauwerk festgestellt werden. Die Beklagte schätzt die möglichen Sanierungskosten auf Grundlage dieser Ausführungen auf mindestens das Doppelte des von der Klägerin geltend gemachten Betrages, im ungünstigsten Fall auf etwa 170.000,- Euro. Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt 28.000,- Euro.

Das Amtsgericht wies die Klage ab.

Das Landgericht gab der Klage auf die Berufung der Klägerin statt.

Die Beklagte begehrt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Revision Erfolg hat. Er führte aus, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
Der Mieter kann gemäß § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB den Mangel der Mietsache selbst beseitigen (lassen) und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist. Zu diesem Zweck kann der Mieter vom Vermieter die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten verlangen (Senatsurteil vom 28. Mai 2008 - VIII ZR 271/07, NJW 2008, 2432, Tz. 8; BGHZ 56, 136, 141). „Diese Tatbestandsvoraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Vorschussanspruch liegen nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht vor.“

Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 BGB für den von der Klägerin geltend gemachten Vorschussanspruch gegenwärtig nicht erfüllt sind, weil die Reparaturen nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der Beklagten zwecklos sind, solange nicht die Ursachen der Rissbildung erforscht und beseitigt worden sind. „Ohne vorherige Klärung der Frage, ob die Rissbildung noch fortschreitet und worauf dies gegebenenfalls beruht, sind die im Gutachten K. vorgesehenen Maßnahmen zur nachhaltigen Mangelbeseitigung nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ungeeignet, weil mit ihnen der zweite Schritt vor dem ersten getan würde.“ Zwecklose Maßnahmen sind ungeeignet und somit nicht erforderlich im Sinne des § 536a Abs. 2 BGB.

Auch der Auffassung des Berufungsgerichts, dass es der Beklagten trotz eines „rechnerisch krassen“ Missverhältnisses zwischen den Sanierungskosten und dem Verkehrswert des Mietobjekts nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, sich gemäß § 275 Abs. 2 BGB darauf zu berufen, dass die Sanierung wegen unverhältnismäßig hoher Kosten für sie unzumutbar sei, kann nicht gefolgt werden.

Der Senat entschied, dass „die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels dort endet, wo der dazu erforderliche Aufwand die "Opfergrenze" überschreitet.“ Für die Feststellung der Überschreitung der „Opfergrenze“ ist eine Würdigung aller Umstände erforderlich. „Je ungünstiger sich das Verhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert darstellt, desto gewichtiger müssen die entgegenstehenden Umstände sein, die es dem Vermieter trotz bestehendem Missverhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert verwehren sollen, sich auf den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) zu berufen.“ Eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze wird durch ein auffallendes Missverhältnis indiziert.
Im vorliegenden Fall besteht – jedenfalls „rechnerisch“ – ein „grobes“ und „krasses“ Missverhältnis zwischen dem behaupteten Verkehrswert und der behaupteten Höhe der Sanierungskosten. Das Berufungsgericht meint jedoch, dass auch bei einem solchen Missverhältnis die „Opfergrenze“ nicht erreicht sei, weil die Beklagte sich auf das Missverhältnis nach Treu und Glauben nicht berufen könne. Diese Annahme hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Auch der Vorwurf des Berufungsgerichts, dass die Klägerin sich auf den Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB schon deshalb nicht berufen könne, weil sie es zu einem „Reparaturstau“ habe kommen lassen und deshalb die Höhe der Sanierungskosten zu vertreten habe, ist nicht gerechtfertigt.

Der Verstoß der Klägerin gegen Treu und Glauben lässt sich ebenso wenig daraus herleiten, dass die Klägerin sich bis zum Jahr 2001 erfolglos um einen Ankauf des Hauses bemüht hat. „Einen Zusammenhang, der eine solche "Sanktion" rechtfertigen würde, vermag der Senat nicht zu erkennen.“

Es ist ebenfalls nicht nachzuvollziehen, inwiefern der Umstand, dass die Klägerin der Beklagten im Jahr 2006 im Rahmen der Dresdner Sozialcharta umfassenden Kündigungsschutz gewährt hat, dem Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB entgegenstehen soll.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Klägerin kann der geltend gemachte Anspruch aus § 536a Abs. 2 BGB auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe von über 47.000,- Euro zur Durchführung der in dem Gutachten des Architekturbüros K. beschriebenen Arbeiten nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung zuerkannt werden. Somit entfällt auch der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie zur Entscheidung nicht reif ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).

Der Leitsatz fasst zusammen:
„Der Mieter hat keinen Anspruch auf Kostenvorschuss für Maßnahmen, die zur nachhaltigen Mangelbeseitigung ungeeignet sind.
Zum Ausschluss des Mangelbeseitigungsanspruchs des Mieters wegen Überschreitens der "Opfergrenze" für den Vermieter (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 342/03, NJW 2005, 3284).“

BGH vom 21.04.2010, Az. VIII ZR 131/09

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