(ip/pp) Um Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen sowie Gebäudeschäden bei einem aufwendigen Straßenneubau ging es in einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München. Die Kläger im betreffenden Fall waren Anrainer einer ICE-Neubaustrecke und klagten auf Entschädigung und Schadensersatz wegen u.a. Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen infolge von Streckenbauarbeiten. Sie waren Miteigentümer eines Wohngrundstücks, das unter anderem mit einem selbstgenutzten Einfamilienhaus bebaut war. Das Anwesen der Kläger lag in einem Weiler in ländlicher Umgebung. Der kürzeste Abstand zwischen dem nunmehrigen Gleiskörper der künftigen ICE-Strecke und dem klägerischen Wohnhaus betrug etwa 130 m. Die Beklagte war eine Konzerntochter der Deutsche Bahn AG (DB-AG), die Eigentümerin der Trassengrundstücke sowie Vorhabenträgerin und Bauherrin der Neubaustrecke ist. Ferner beklagt war eine Dacharbeitsgemeinschaft, die von der DB-AG mit der Erstellung der Neubaustrecke auf dem Grundstück benachbarten Abschnitt beauftragt worden war.

Im die Klage betreffenden Zeitraum errichteten die beauftragten Bauunternehmen die Neubautrasse nach Maßgabe des einschlägigen Planfeststellungsbeschlusses. Im Bereich des klägerischen Anwesens waren dafür unter anderem die Aufschüttung eines bis zu 12 m hohen Bahndamms und die Erstellung einer Brücke erforderlich. Die Kläger haben behauptet, sie seien von den Auswirkungen der Baumaßnahmen zur Errichtung der Hochgeschwindigkeitsstrecke in unerträglicher Weise betroffen gewesen. Seit Baubeginn sei ihr Anwesen von Lärm, Staub und chemisch verunreinigter Atemluft umgeben gewesen. Die Thermik um ihr Anwesen habe dazu geführt, dass der Westwind die Baustellenemissionen zu ihrem Anwesen übertragen habe, wo sie sich infolge der Muldenlage und der Anordnung der Gebäude auf ihrem Grundstück gestaut hätten. An Werktagen sei ein Dauerlärm durch den Lkw-Verkehr entstanden, der direkt vor ihrem Anwesen auf der dem Wohnhaus zugewandten Seite abgelaufen sei. Der Lärm sei ohrenbetäubend gewesen, da der Verkehr unmittelbar und eng am Wohngebäude vorbeigefahren sei. Der durch die bis zu 800 Lkw pro Tag entstandene durchgehende Verkehrslärm sei nervenaufreibend gewesen. Zudem seien ständig Lkw-Abgase auf ihr Grundstück geblasen worden, da der Schwerlastverkehr ununterbrochen gefahren sei und sich auch regelmäßig vor ihrem Anwesen gestaut habe. Ihr Wohngebäude sei täglich auch bei geschlossenen Fenstern von Abgasen gefüllt gewesen; bei Windstille seien die Abgase selbst an Ruhetagen auf dem Anwesen wahrnehmbar gewesen.

Das OLG gab ihnen Recht. Der Leitsatz formuliert es wie folgt:

“1. Die durch eine Großbaustelle (hier: ICE-Hochgeschwindigkeitstrasse) verursachten Lärm-, Abgas- und Staubimmissionen können eine Entschädigungspflicht des Bauherrn nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslösen.

….

3. Zur Bemessung des angemessenen Ausgleichs in Geld für die Nutzungsbeeinträchtigung kann das Gericht auf den Maßstab einer fiktiven Mietminderung zurückgreifen.

OLG München, Az.: 23 U 2648/08