(ip/RVR) Die Beklagten bewohnen den ersten Stock eines Wohnhauses aufgrund eines im März 2004 mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin geschlossenen Mietvertrages. Im Zeitpunkt des Abschlusses dieses Mietvertrags waren die Wohnungen im Erdgeschoss und ein Raum im Keller des Hauses mit Bad/Dusche und einer Küchenzeile vermietet. Nachdem die Klägerin im Jahr 2006 Eigentümerin des Hauses geworden war, bezog sie mit ihrem Ehemann die Wohnung im Erdgeschoss; den ausgebauten Kellerraum nutzen die beiden seither als Besucherzimmer, Arbeitszimmer und Bügelraum. Die Klägerin erklärte die Kündigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten nach § 573a Abs.1 BGB. Das Amtsgericht wies die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage ab, das Landgericht wies die Berufung der Klägerin zurück. Die Klägerin verfolgt ihr Räumungsbegehren mit der Revision weiter - auch die Revision hat jedoch keinen Erfolg.

Ein Mietverhältnis über Wohnraum kann grundsätzlich nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eines berechtigten Interesses bedarf es nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB ausnahmsweise nicht, wenn ein Mietverhältnis über Wohnraum in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen gekündigt wird.

Die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 573a Abs.1 BGB waren im Streitfall weder zu Beginn des Mietverhältnisses mit den Beklagten noch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung erfüllt, denn in dem Wohnhaus der Klägerin befinden sich seit Beginn des Mietverhältnisses mit den Beklagten unverändert drei Wohnungen.

Ob in einem Gebäude mehr als zwei Wohnungen vorhanden sind, beurteilt sich nach der Verkehrsanschauung; weil trotz Baurechtswidrigkeit eine tatsächliche Wohnnutzung erfolgen kann, ist eine eventuell baurechtswidrige Errichtung in diesem Zusammenhang deshalb unerheblich. Unter einer Wohnung wird gemeinhin ein selbständiger, räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Bereich verstanden, der eine eigenständige Haushaltsführung ermöglicht. Die Räumlichkeiten im Keller des Wohnhauses der Klägerin sind in diesem Sinne zur selbständigen Haushaltsführung geeignet, denn neben einem 42 qm großen Wohn-/Schlafraum verfügen sie über eine Küchenzeile und ein Tageslichtbad mit Toilette.

Ein Wohnhaus, in dem sich neben je einer Wohnung im Erdgeschoss und im Obergeschoss eine selbständig als Wohnung nutzbare Einliegerwohnung im Untergeschoss befindet, ist auch dann kein 'Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen ' im Sinne des § 573a Abs. 1 BGB, wenn der Vermieter neben der Erdgeschosswohnung auch die Einliegerwohnung nutzt.

Tatsache ist, dass drei Wohnungen in dem Wohnhaus der Klägerin existieren. Allein, dass die Klägerin die im Keller befindlichen Räume in ihren Wohnbereich integriert hat, indem sie die Einliegerwohnung seit dem Erwerb des Hauses im Jahr 2006 als Besucherzimmer/Bügelzimmer/Arbeitszimmer nutzt, kann daran nichts ändern. Durch die Ausweitung des Wohnbereichs der Klägerin hat sich der einmal gegebene Wohnungsbestand nicht reduziert. Da die Einliegerwohnung vom Einzug der Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung eine eigenständige Wohnung war, waren die Voraussetzungen einer erleichterten Kündigung nach § 573a Abs. 1 BGB zu keiner Zeit erfüllt. Schon deshalb hat die auf § 573a Abs.1 BGB gestützte Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet. Der Klägerin steht daher kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zu.

BGH vom 17.11.2010, Az. VIII ZR 90/10


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