(ip/RVR) Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte kürzlich über Obliegenheit des Schuldners, sich um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen, zu entscheiden.

Das Insolvenzgericht eröffnete auf den Eigenantrag des Schuldners das Insolvenzverfahren und kündigte im November 2003 die Restschuldbefreiung an. Am 30. Januar 2004 wurde das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben. In der Wohlverhaltensperiode war der Schuldner selbständig und unselbständig erwerbstätig. Im Anhörungstermin zur beabsichtigten Erteilung der Restschuldbefreiung beantragte der beteiligte Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung.

Am 4. März 2009 erteilte das Insolvenzgericht dem Schuldner Restschuldbefreiung.

Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurück.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Gläubiger mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung der Restschuldbefreiung anstrebt.

Der BGH beschloss, dass die Ausführungen des Beschwerdegerichts der rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten, soweit sie den Zeitraum der ersten selbständigen Tätigkeit des Schuldners in der maßgeblichen Treueperiode vom 1. Juni 2004 bis zum 27. Februar 2006 betreffen.

Zur Begründung führte der BGH aus, dass das Beschwerdegericht § 295 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) nicht beachtet hat. Nach dieser Vorschrift obliegt es dem selbständig tätigen Schuldner, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Vorschrift löst, so der BGH, die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Dabei ist das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen aus einem angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. „Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413 Rn. 13).”

“Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als übe er eine entsprechende abhängige Tätigkeit aus, braucht er seine selbständige Tätigkeit zunächst nicht aufzugeben.“ Er muss sich dann aber gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO um das Entkräften des Verschuldensvorwurfs bemühen, indem er sich nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht.

Im vorliegenden Fall hat der Gläubiger einen zulässigen Versagungsantrag gestellt (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO). Darüber hinaus hat er sowohl die Obliegenheitsverletzung als auch die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung glaubhaft gemacht. Folglich muss sich der Schuldner gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 InsO von dem Vorwurf entlasten, schuldhaft gehandelt zu haben. Durch die Vorlage der Jahressteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2005 an den Treuhänder erbrachte der Schuldner den Nachweis, dass er mit seiner selbständigen Tätigkeit in dieser Zeit nicht genug erwirtschaftet hat, um die ihm obliegenden Beträge abzuführen.

Weiter hätte der Schuldner sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen müssen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften. „Welchen Umfang die Bemühungen des Schuldners im Einzelnen aufweisen müssen, um eine hinreichende Arbeitsplatzsuche belegen zu können, lässt sich nicht allgemein gültig klären, sondern ist unter Berücksichtigung branchenbezogener, regionaler und individueller Umstände einzelfallbezogen zu beurteilen, wie der Senat bereits entschieden hat (BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - IX ZB 267/08, NZI 2010, 693 Rn. 2).” Nach den Feststellungen des Landgerichts entfielen auf die maßgebliche Zeit vom 1. Juni 2004 bis zum 27. Februar 2006 sechs Bewerbungen, durchschnittlich eine Bewerbung in dreieinhalb Monaten. Diese Bemühungen des Schuldners sind keinesfalls ausreichend, so der BGH.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts für die restlichen Zeiten weist im Ergebnis keine Rechtsfehler auf.

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden die Beschlüsse des Landgerichts und des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.

Der Leitsatz fasst zusammen:
„a) Zu der Obliegenheit des Schuldners, sich um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen, gehört es, sich im Regelfall bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern zu halten. Weiter muss er sich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemühen, etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen. Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden.
b) Der Schuldner wird dem Bemühen um eine Arbeitsstelle nicht gerecht, wenn er durchschnittlich alle drei Monate eine Bewerbung abgibt, sonst aber keine Aktivitäten entfaltet.”

BGH vom 19.05.2011, Az. IX ZB 224/09


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