(ip/RVR) Der Bundesgerichtshof hat kürzlich entschieden, dass ein  Pkw eines gehbehinderten Schuldners nicht der Pfändung unterliegt, "wenn die Benutzung des Pkw erforderlich ist, um die Gehbehinderung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung des Schuldners in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern.“

Im zugrunde liegenden Fall hatte die Gläubigerin die Vollstreckung gegen den gehbehinderten Schuldner dahingehend betrieben, dass ihm der Pkw durch den Gerichtsvollzieher gepfändet werden soll. Bei dem Grad der Behinderung von 70 % wurde "das Merkzeichen "G" (=erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) zuerkannt. Aufgrund dessen verweigerte der Gerichtsvollzieher die Pfändung. Infolge Erinnerung des Gläubigers erklärte das Amtsgericht die Maßnahme für zulässig. Die Beschwerde wies das Beschwerdegericht zurück. Mit der Rechtsbeschwerde  verfolgt der Schuldner sein Begehr weiter.

Der Bundesgerichtshof hob den Beschluss des Beschwerdegerichts infolge der Beschwerde auf und wies verwies sie zur erneuten Entscheidung zurück.

Der Senat führt aus, dass die in § 811 Abs. 1 ZPO normierten Pfändungsverboten "dienen dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse und beschränken die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen." Dies rührt aus  den aus den im Grundgesetz verankerten "garantierten Menschenwürde bzw. allgemeinen Handlungsfreiheit", Art. 1 und 2 GG. "Der Zweck des § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO liegt vor diesem Hintergrund darin, die aus dem Gebrechen oder einer Behinderung resultierenden Nachteile auszugleichen oder zu verringern und dem Schuldner so ein angemessenes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen." Sollte die Pfändung des Pkw den Schuldner in seiner Lebensführung sehr einschränken, hat diese zu unterbleiben, vor allem wenn sie "im Vergleich zu einem nicht behinderten Menschen entscheiden benachteiligt." Ob dieser für den Schuldner unentbehrlich ist,  ist unerheblich. Denn der Bundesgerichtshof entschied in einem früheren Fall, es ist ein "Pfändungsverbot anzunehmen, wenn die Benutzung des Pkw dazu erforderlich ist, um die Gehbehinderung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung in das öffentliche Leben zu erleichtern." So könnte vorliegend für den Pkw ein Pfändungsverbot gem. § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO existieren. Der Schuldner ist nicht fähig ortsübliche Wege zu Fuß zurück zu legen.

Auch weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass sich der Schuldner "nur dann auf öffentliche Verkehrsmittel verweisen lassen muss, wenn ihm deren Benutzung zugemutet werden kann und seine behinderungsbedingten Nachteile hierdurch ausreichend kompensiert werden." Hierbei ist die konkrete Behinderung und deren Folgen ausschlaggebend, "auf deren Grundlage der Ausgleichsbedarf durch Belassung eines privat genutzten Pkw festzustellen ist."

Im zu entscheidenden Fall berücksichtigte das Beschwerdegericht nicht hinreichend das ärztliche Attest des Schuldners, wonach ihm öffentliche Verkehrsmittel nicht zugemutet werden können.  Die Beurteilung hätte nicht zu Lasten des Schuldners erfolgen dürfen.  Das Vollstreckungsgericht wies nicht darauf hin, welche weiteren Nachweise es erforderlich hielt.

Infolge nicht geklärten Sachverhaltes konnte der Senat nicht selbst entscheiden und wies an das Beschwerdegericht zurück unter Hinweis, dass zu beachten sei, dass "im Rahmen des § 811Abs. 1 Nr. 12 ZPO eine ausreichende Kompensation behinderungsbedingter Nachteile durch den Verweis auf öffentliche Verkehrsmittel dann nicht gewährleitstet ist, wenn dies für den Schuldner bei seinen häufigen, teils täglichen Fahrten zu Ärzten und Therapeuten mit ungewöhnlich langen fahr- und Wartezeiten verbunden wäre."

BGH vom 16.06.2011, Az.  VII 12/09

 

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