(ip/RVR) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Firmendirektversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG soll nach Dafürhalten des Bundesgerichtshofes schon vor Eintritt des Versicherungsfalles als zukünftige Forderung pfändbar sein.

In casu betrieb der Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner und erwirkte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem der Anspruch des Schuldners aus einem Lebensversicherungsvertrag gepfändet wurde. Dabei handelte es sich um eine der Altersvorsorge dienende Firmendirektversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Der Schuldner ist im Jahre 2005 mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften aus dem Unternehmen als Arbeitnehmer ausgeschieden, wobei die Versicherungssumme erst 2011 fällig wird.

Der Schuldner legte Erinnerung ein mit der Begründung, der Anspruch sei nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG i. V. m. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar. Darauf hob das Vollstreckungsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers blieb erfolglos. In der Rechtsbeschwerdeinstanz stellte der VII. BGH-Senat den Beschluss wieder her.

Die Verfügungsbeschränkung des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG (aus welcher die Unpfändbarkeit folgt) diene im Rahmen des rechtlich Möglichen dem Bestand der Anwartschaft im Interesse der Aufrechterhaltung des Versorgungszwecks, „d.h. zu verhindern, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet. Das entspricht der Grundkonzeption der §§ 1b und 2 BetrAVG, die darauf ausgerichtet ist, die Versorgungsanwartschaft beim vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aufrecht zu erhalten und die Fälligkeit unangetastet zu lassen“ (Rz. 6 der Entscheidung). Diese Versorgungsanwartschaft solle geschützt und damit unpfändbar sein.

Die Verfügungsbeschränkung erfasse hingegen nicht den Anspruch auf Auszahlung im Versicherungsfall. Dies entschied der Senat schon früher (Beschluss vom 23.10.2008 - VII ZB 16/08) und erweiterte diese Rechtsprechung nunmehr auch auf künftige Ansprüche.

Künftige Forderungen unterlägen grundsätzlich der Pfändung und aus § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG ergebe sich nichts anderes. Der Wortlaut differenziere zwar nicht zwischen gegenwärtigen und künftigen Forderungen. Dies verhindere jedoch nicht eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung, künftige Forderungen von dem Pfändungsverbot nicht zu umfassen. Diese erst nach Eintritt des Versicherungsfalles fälligen Forderungen hätte die Norm gar nicht im Blick: „§ 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG will verhindern, dass der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet. Dieser Gesetzeszweck hindert nicht, einen Gläubiger des Arbeitnehmers im Wege der Pfändung auf die mit Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Ansprüche als zukünftige Forderungen zugreifen zu lassen“ (Rz. 11 der Entscheidung).

Ein solches Verständnis der Norm beeinträchtige die Anwartschaft nicht und trage auch den grundrechtlich geschützten Interessen des Gläubigers auf Befriedigung Rechnung. Diese kämen nämlich zu kurz, wollte man durch ein Pfändungsverbot dem Schuldner ermöglichen, durch frühzeitige Verfügungen über seine Versorgungsansprüche die erst dann zulässige Pfändung durch den Gläubiger ins Leere laufen zu lassen.

Auch zukünftige Ansprüche gegen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und auf betriebliches Ruhegeld auf der Grundlage einer betrieblichen Direktzusage seien pfändbar, was zusätzlich für ein solches Verständnis der Norm spräche, wollte man sich nicht in Widerspruch bei der Behandlung dieser gleich gelagerten Fälle begeben.

BGH vom 11.11.2010, Az. VII ZB 87/09


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