(ip/RVR) Der V. Zivilsenat des BGH hatte kürzlich bzgl. einer in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel zu entscheiden. In dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag aus dem Jahre 1949 war ursprünglich ein Erbbauzins von 4 % des mit DM 2,- für den Quadratmeter angenommenen Grundstückswerts vereinbart worden, der bis zu einer Grenze von 10 % erhöht werden konnte; diese Klausel sollte auch der Absicherung der Grundstückseigentümerin gegen das Risiko eines Kaufkraftschwundes dienen. Bis Oktober 1983 wurde der Erbbauzins schrittweise auf 10 % des angenommenen Grundstückswerts erhöht; das sind 98,68 € pro Jahr. Seit dieser letzten Anpassung kann die Klausel ihren Wertsicherungszweck nicht mehr erfüllen. 2004 verlangte die Grundstückseigentümerin - gestützt auf eine sich aus den arithmetischen Mitteln der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie der Löhne und Gehälter ergebende Steigerungsrate von 875,9 % - einen jährlichen Erbbauzins von 963 €. Der Erbbauberechtigte zahlte weiterhin nur den Betrag von 98,68 € pro Jahr. Die Grundstückseigentümerin beantragte, ihn zur Zahlung der Differenz zwischen gezahltem und gefordertem Erbbauzins von Oktober 2006 bis Juli 2008 zu verurteilen.

Der Senat entschied, dass der Erbbauzins einer Anpassung unterliegt, die in ihrer Höhe nicht durch die vereinbarte 10 % - Grenze beschränkt ist.

Die bis 1994 geltende Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF, wonach der Erbbauzins nach Zeit und Höhe für die ganze Erbbauzeit im Voraus bestimmt sein musste, hinderte die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht, da die höchstrichterliche Rechtsprechung - wegen der zwischenzeitlichen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse - unter dem Aspekt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Gestalt einer Äquivalenzstörung eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses über die ursprünglich vereinbarte Höhe hinaus zuließ. Diese Rechtsprechung ist indes zu solchen Erbbaurechtsverträgen ergangen, in denen keine Anpassungsklauseln vereinbart worden waren.

Der Senat beschied, dass wenn eine wertsichernde Klausel in dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbart ist und diese ab einem bestimmten Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr erfüllt, die ergänzende Vertragsauslegung der Anwendung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage vorgeht.

Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist zu ermitteln, was die Vertragspartner nach Treu und Glauben für diesen Fall vereinbart hätten. Führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, kommt die Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. In beiden Fällen sind nicht die seit Vertragsabschluss, sondern die seit der letzten aufgrund der Klausel vorgenommenen Erhöhung geänderten Verhältnisse maßgebend.

Der Senat führte aus: Bei der ergänzenden Auslegung des Vertrags ist darauf abzustellen, was redliche Vertragspartner bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten; zunächst ist an die in dem Vertrag vereinbarten Regelungen und Wertungen anzuknüpfen. Deshalb kann die Auslegung - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten, dass die vereinbarte Anpassungsmöglichkeit der Berücksichtigung einer Steigerung der Lebenshaltungskosten bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung dienen sollte - ergeben, dass eine Anhebung des Erbbauzinses nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem entspricht, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Ungeeignetheit der nach oben begrenzten Anpassungsklausel bewusst gewesen wäre; denn die Preisindizes für die Lebenshaltungskosten sind ein unmittelbarer Spiegel der Preisentwicklung, eine hieran orientierte Anpassung bewirkt daher den von den Parteien gewollten Ausgleich des Kaufkraftschwunds. Eine Berücksichtigung auch der Entwicklung der Einkommen ließe auch die Änderung des Lebensstandards in die Höhe des Erbbauzinses einfließen und läge mithin nicht mehr im Rahmen des von den Parteien verfolgten Ziels.

Da die Grundstückseigentümerin gegen die Risiken eines Kaufkraftschwunds in geeigneter Form abgesichert werden sollte und zu diesem Zweck eine nach § 3 WährG aF genehmigungsfreie Anpassungsklausel vereinbart wurde, kann es dem Willen der Vertragsparteien entsprechen, die vorstehend beschriebene Anpassungsmöglichkeit in der Weise zu verwirklichen, dass jede Partei die Neufestsetzung der Höhe des Erbbauzinses - nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Frist (§ 9a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG) - verlangen kann, wenn die Lebenshaltungskosten seit der jeweils vorausgegangenen Festsetzung um mehr als einen bestimmten Prozentsatz gestiegen oder gefallen sind. Deshalb und weil die vereinbarte Anpassungsklausel ab dem 1. Oktober 1983 ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten seit diesem Zeitpunkt maßgeblich; für die Zeit davor bleiben die vertraglich vereinbarten Regelungen verbindlich. Der - eventuelle - vertragliche Anpassungsanspruch ist in der Höhe nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG beschränkt.

Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht. Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Die Klausel gilt, solange sie ihren Zweck erfüllen kann; ab dem Zeitpunkt, indem sie hierzu untauglich wird, besteht hinsichtlich einer möglichen Äquivalenzstörung kein Unterschied zu einem von Beginn an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag.

Es ist dann darauf abzustellen, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit der letzten aufgrund der Klausel vorgenommenen Erhöhung die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts sind die Lebenshaltungskosten zwischen 1983 und 2009 jedoch nur um 59,7 % gestiegen. Ein weiterer Anstieg in der Folgezeit ist nach dem Klageantrag, mit welchem der erhöhte Erbbauzins bis Juli 2008 verlangt wird, nicht zu berücksichtigen.

BGH vom 18.11.2011, Az. V ZR 31/11


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