(ip/RVR) Zur Frage, ob es im Rahmen einer Berufshaftpflichtversicherung eines Architekten je Bauvorhaben nur einen oder mehrere Versicherungsfälle geben kann, nahm das Oberlandesgericht Celle in seinem Urteil vom 23.09.2010 Stellung.

In casu hatte sich - vereinfacht dargestellt - Folgendes zugetragen: Im Jahre 1991 beauftragte der Kläger den Architekten mit der Planung, Bauüberwachung und Objektbetreuung für den Aus- und Umbau seines Anwesens. Dabei hatte der Architekt sämtliche Leistungsphasen zu erbringen, unter anderem in den Bereichen Trockenbau und Erneuerung des Daches. In diesen Bereichen traten erhebliche Mängel auf. Der Kläger nahm daraufhin ein Bauunternehmen und den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch. Er verglich sich mit dem Bauunternehmen und erweiterte seine Klage gegen den Architekten. Letzterer wurde im Jahre 2002 insolvent, woraufhin der Insolvenzverwalter mögliche Befreiungsansprüche des Schuldners gegen seine Berufshaftpflichtversicherung an den Kläger abtrat.

2005 erging gegen den Architekten ein Grundurteil, wonach er für die zur Mängelbeseitigung notwendigen Kosten dem Grunde nach auf Schadensersatz hafte.

In einem neuen Verfahren nahm der Kläger nunmehr die Versicherung des Architekten aus abgetretenem Recht in Anspruch, für Schäden in den Gewerken „Dachdeckerarbeiten“ und „Trockenbau“ einzustehen. In diesen Bereichen hatte die beklagte Versicherung bereits Leistungen von 12,5 t EUR erbracht, die der Kläger in Abzug brachte. Darüber hinaus hatte die Versicherung auch Zahlungen für die Bereiche „Fenster“ und „Heizkörperverkleidungen“ geleistet.

Die Beklagte beantragte erfolgreich Klageabweisung in erster Instanz unter anderem mit der Begründung, die - unstreitig - vereinbarte Deckungssumme von circa 75 t EUR sei mit den bereits erbrachten Zahlungen ausgeschöpft. Diese Summe stünde nur einmal zur Verfügung, weil insgesamt nur ein Versicherungsfall vorliege.

Das OLG Celle als Berufungsgericht vertrat eine andere Auffassung: Es gäbe keine Veranlassung regelmäßig nur von einem Versicherungsfall auszugehen, auch dann nicht, wenn es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handle. „Nur so lässt sich auch dem Sinn der Berufshaftpflichtversicherung entsprechen. Wenn der Architekt mehrere Fehler macht und seinem Auftraggeber dadurch mehrfach Schäden entstehen, muss die Versicherung dem korrespondieren und muss es zumindest in Betracht kommen, dass mehrfach Ansprüche gegen den Versicherer bestehen. […] Klar muss sein, dass die Abgrenzung, ob ein Versicherungsfall vorliegt oder mehrere gegeben sind, nur im Einzelfall und in wertender Betrachtung erfolgen kann (Rz. 42 der Entscheidung).

Hier seien zwar die Gewerke „Dachdeckerarbeiten“ und „Trockenbau“ aus technischen Gründen nicht sinnvoll zu trennen, womit diese als einheitlicher Versicherungsfall anzusehen seien und die Versicherungssumme nur einmal auslösten. Dieser Versicherungsfall sei jedoch von den Gewerken „Fenster“ und „Heizkörperverkleidungen“ unschwer zu trennen, womit die diesbezüglich erbrachten Zahlungen den Anspruch des Klägers nicht von vornherein schmälerten.

Der erkennende Senat sprach daher dem Kläger seine Forderung zu, abzüglich Selbstbehalt und der erbrachten 12,5 tEUR.
Auch hinsichtlich der eben dargestellten Problematik ließ das OLG die Revision nicht zu, weil der Begriff des Versicherungsfalls die Gerichte seit längerer Zeit nicht beschäftigt hätte.

OLG Celle vom 23.09.2010, Az. 8 U 180/09

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