(ip/pp) Hinsichtlich der Grenzen von Arglist und Organisationsverschulden beim Bau eines Hochhauses hatte das Landgericht Karlsruhe aktuell zu entscheiden. Die Klägerin, Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft, machte als Teilklage in gewillkürter Prozessstandschaft Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Errichtung eines Hochhauses geltend.

Die Beklagte hatte ein Hochhaus als Bauträgerin errichten lassen. Sie verkaufte die Wohnungseinheiten mit im Wesentlichen gleich lautenden Verträgen, und zwar entweder mit Verträgen oder auf der Grundlage von Kaufanwärterverträgen. Hinsichtlich der Gewährleistung enthielten die Kaufverträge folgende Klauseln:

„Die Verkäuferin wird das Bauvorhaben nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns durchführen. Für Mängel in der vertraglichen Bauausführung haftet sie nur insoweit, als sie die mit der Bauausführung beauftragten Unternehmer mit Erfolg in Anspruch nehmen kann. Mit der Übergabe der Eigentumswohnung tritt die Verkäuferin ihre Gewährleistungsansprüche gegenüber den Unternehmern an den Käufer ab. Die Beseitigung der bei Übergabe festgestellten Mängel wird noch von der Verkäuferin veranlasst. Diese Mängel werden anlässlich einer Wohnungsabnahme, die etwa 4 - 8 Wochen nach Bezugsfertigkeit nach vorheriger schriftlicher Benachrichtigung des Käufers stattfindet, festgehalten. Die Verkäuferin wird dem Käufer auch später mit ihrer Verwaltungsgesellschaft mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Für die Gewährleistungspflichten der am Bau tätigen Unternehmer gelten die in der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) niedergelegten Bedingungen und Fristen, so weit Einzelfall nichts anderes vereinbart wurde. Bei der Übergabe der Wohnung werden dem Käufer mit Aushändigung einer Handwerkerliste die jeweiligen Garantiefristen bekannt gegeben.“

Der Kaufanwärtervertrag differierten hiervon: „Für Mängel in der vertraglichen Bauerstellung haftet der Betreuer nur insoweit, wie er mit Erfolg die am Bau beteiligten Unternehmen in Anspruch nehmen kann und auch nur in der Weise, dass die dem Betreuer zustehenden Gewährleistungsansprüche mit dem Tag der Übergabe der Wohnung an den Kaufanwärter an diesen abzutreten sind.“

Die eine Beklagte war mit der Ausführung des Rohbaus einschließlich des Schließens der Installationsschächte beauftragt, ein weiterer Beklagter war Architekt. Er war von der Beklagten mit Architektenleistungen für die Baumaßnahme beauftragt, insbesondere mit der Bauleitung. Eine weitere Beklagte, die ein Ingenieurbüro betrieb, war mit der Projektierung Elektro als Fachplanerin und Fachbauleiterin beauftragt. Die Rechtsvorgängerin der Streithelferin, war mit den Elektroinstallationsarbeiten beauftragt.

Das Bauvorhaben wurde auf der Grundlage einer Baugenehmigung der Stadt errichtet. Diese enthielt u. a. folgende in der Anlage zur Baugenehmigung aufgeführten Auflagen:

„Alle senkrechten Schächte für Installationen, Lüftung und dergleichen sind feuerbeständig auszuführen; horizontale Kanäle müssen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen und dürfen innen weder brennbaren Anstriche noch Auskleidungen erhalten. Etwaige Öffnungen in Schächten oder Kanälen sind mit feuerhemmenden Türen oder Klappen ... zu schließen.

... Die Lüftungsschächte sind so auszuführen, dass eine Übertragung von Feuer und Rauch von Stockwerk zu Stockwerk sicher verhindert wird.

Das Bauvorhaben wurde fertig gestellt und abgenommen. Es umfasste insgesamt 314 Wohneinheiten in 17 Geschossen zuzüglich zwei Penthousegeschossen. In dem Gebäude wurden insgesamt 37 Schächte ausgeführt (32 Schächte von der Decke des Erdgeschosses bis zu den Dachgeschossen, fünf weitere Schächte vom Untergeschoss bis zur Decke des 17. Obergeschosses), in denen Wasserleitungen, Heizungsvor- und -rücklauf, Abluftrohre, Stromleitungen und teilweise Abwasserleitungen geführt werden.

Im Protokoll einer Eigentümerversammlung wurde u. a. festgehalten:

„Bei dieser Gelegenheit wurde auch die unglückliche Zusammenführung der Elektroinstallationen und der wasserführenden Leitung in einem Versorgungsschacht angesprochen. Nachdem bereits mehrfach Undichtigkeiten am Wasserleitungsnetz auftraten, was zur Folge hatte, dass Kurzschlüsse entstanden und Teile des Hauses mehrere Tage ohne Strom waren, erforderte dies den Austausch der ausgeschmorten Sicherungskästen. Bei der Abnahme des Gebäudes hat die Baubehörde der Stadt ... wohl festgestellt, dass dies nicht einwandfrei ist, jedoch nichts dagegen unternommen. Auch hier wurde Herr Rechtsanwalt ... beauftragt, in dieser Angelegenheit ... tätig zu werden.“

Mit Anwaltsschreiben an die Beklagte ließ die Wohnungseigentümergemeinschaft unter Vorlage eines Gutachtens Mängel der Installationsschächte auf allen Stockwerken, ausgehend vom 1. OG nach oben, rügen und für die Mängelbeseitigung eine Frist setzen, und leitete darauf ein Beweissicherungsverfahren ein.

Darauf wurde folgender Beschluss gefasst:

„Der Verwalter wird ermächtigt, im eigenen Namen mit Wirkung für und gegen die Gemeinschaft bezüglich des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums auf der Grundlage der Gutachten ... gegen sämtliche Baubeteiligte, insbesondere auch die damalige Verwalterin ... Mängelrechte auf gerichtlichem Wege geltend zu machen. ... Zu diesem Zwecke wird der Verwalter ermächtigt, mit Wirkung für und gegen die Gemeinschaft einen Fachmann zur Erstellung einer Ausschreibung und Einholung von Handwerkerangeboten zur sicheren Ermittlung der Mängelbeseitigungskosten zu beauftragen...“
Die Klägerin behauptet, in den Installationsschächten, in denen ohne Trennung Wasserleitungen (Kaltwasser-Niederdruck, Kaltwasser-Hochdruck, Regenwasser, Abwasser, Heizungsvor- und -rücklauf) und Stromleitungen geführt würden, sei keine brandschutztechnische Trennung im Deckenbereich vorhanden. Die Elektroverteiler seien so eingebaut, dass austretendes Wasser eindringen könne, was zu Lichtbögen und hierdurch verursachten Bränden führen könne.
Die Mängel, die möglicherweise schon bei der Planerstellung verursacht worden seien, hätten jedenfalls im Zuge der Bauausführung bei den Zwischenabnahmen oder der Endabnahme erkannt werden müssen. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagten die Mängelgekannt hätten, aber bewusst kostensparend gebaut worden sei.

Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte 1 hafte - gegenüber den Zweit- und weiteren Erwerbern aus abgetretenem Recht - wegen arglistig verschwiegener Mängel auf Schadensersatz gem. § 635 BGB, jedenfalls aus positiver Verletzung wegen Organisationsverschuldens. Die Beklagte habe sich entgegen der vertraglich übernommenen Verpflichtung, die Käufer bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen zu unterstützen, während der kurzen Gewährleistungsfrist nicht um Brandschäden gekümmert, sei den Ursachen von Bränden nicht nachgegangen und habe sie verharmlost, obwohl bereits in der ersten Eigentümerversammlung die Leitungsführung und bereits erfolgte Kurzschlüsse angesprochen worden seien. Lediglich wegen der gleichzeitig angesprochenen Mängel der Sprechanlage sei ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet worden, nicht jedoch wegen der hier streitgegenständlichen Mängel.

Die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten beliefen sich - über die vom Sachverständigen im Beweisverfahren geschätzten Kosten von 1.790.000 DM hinausgehend - auf insgesamt mindestens gut 4.000.000,- Euro.

Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie weisen darauf hin, dass mehrere Wohnungen nach dem Ersterwerb von der Beklagten 1 weiter veräußert wurden, einzelne sogar mehrfach; sie sind der Ansicht, dass allenfalls für die Veräußerung an Zweiterwerber die Vermutung gelte, dass die Erwerber stillschweigend zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen ermächtigt werden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe jedoch die Klägerinnen als Verwalterin nur zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen ermächtigen können, die ihr auch tatsächlich zustanden. Im übrigen könne Schadensersatz gem. § 635 BGB statt Nachbesserung oder Minderung nur auf Grund eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung verlangt werden.

Das Landgericht entschied: „1. Die Beweislast dafür, dass die Baubeteiligten bewusst einen offenbarungspflichtigen Mangel verschweigen und damit arglistig handeln, obliegt dem Auftraggeber.

2. Die Darlegung eines dokumentierten Qualitätssicherungssystems von Unternehmern, Architekten und Sonderfachleuten und somit detaillierter Vortrag zur Bauüberwachung kann nicht verlangt werden, wenn bauseits rechtliche Schritte erst zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden, wenn alle Aufbewahrungspflichten für die Geschäftsunterlagen abgelaufen sind und die Baubeteiligten auch nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen müssen.“

LG Karlsruhe, Az.: 2 O 234/02