(ip/RVR) Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht verpflichtet, die Herstellung von Barrierefreiheit zu finanzieren nur weil ein einzelnes Mitglied dieser bedarf; dies beschied neulich das LG Köln. Anlass zu der Entscheidung bot die Klage eines gehbehinderten Mitglieds einer Wohnungseigentümergemeinschaft, mit der es die Zustimmung der Gemeinschaft zur Vornahme der für ihn notwendigen baulichen Maßnahmen (Einbau von Handläufen im Treppenhaus) begehrte.

Derlei bauliche Maßnahmen betreffend das gemeinschaftliche Eigentum müssen aufgrund des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinschaft grundsätzlich per Beschluss durch die Eigentümergemeinschaft genehmigt werden, § 22 Abs. 1 S. 1 WEG. Im Lichte des Art. 3 Abs. 3 Satz. 2 GG (Verbot der Benachteiligung Behinderter) betrachtet kann das aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG fließende Gestaltungsrecht der Wohnungseigentümer in die Verpflichtung münden, die begehrte Maßnahme zur Herstellung des barrierefreien Zuganges zu genehmigen.

Die Eigentümer sind aber nicht verpflichtet, die für den Behinderten eigennützige bauliche Veränderung zu finanzieren. Ob eine Aufteilung der Kosten auf alle (viele) Eigentümer ausnahmsweise geboten sein kann, wenn sie zu einer verhältnismäßig geringen Belastung der einzelnen Eigentümer führt, während der betroffene Eigentümer mit den Kosten der Baumaßnahme allein überfordert wäre, oder ob der Betroffene hier vorrangig versuchen muss, andere Kostenträger heranziehen, war hier mangels entsprechendem Vortrag des Klägers nicht zu entscheiden.

Im Ergebnis einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der beiderseitigen Interessen im Rahmen des § 22 und § 14 Nr. 1 WEG mussten hier die Beklagten die Vornahme der vom Kläger begehrten Maßnahmen - auf dessen Kosten - dulden.

Die bauliche Maßnahme ist hier unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit nach objektiven Gesichtspunkten geboten; das Verbot der Benachteiligung Behinderter wiegt entsprechend schwer. Von einem verständigen Miteigentümer wird erwartet, dass er Toleranz gegenüber Behinderten aufbringt; für eine Duldungspflicht der anderen Eigentümer sprach hier außerdem, dass die Maßnahme ohne erhebliche Eingriffe in die Substanz und Optik des Gemeinschaftseigentums technisch machbar war. Das Interesse der Gemeinschaft an der Aufrechterhaltung des bisherigen baulichen Zustandes war vergleichsweise gering zu bewerten, da es sich bei dem zu verändernden Bereich um einen Treppenabsatz zur Tiefgarage handelt, wo sich keine Wohnungseingangstüren befinden. Die Fortführung des Treppengeländers würde die Optik des Flures nur unwesentlich beeinträchtigen. Weitere Aspekte, von denen die Wohnungseigentümer im Rahmen des Interessenausgleichs gegebenenfalls die Gestattung abhängig machen könnten, z.B. baurechtliche und denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit und Abdeckung des Haftungsrisikos waren hier nicht zu bedenken.

LG Köln vom 30.06.2011, Az. 29 S 246/10


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