(ip/RVR) Eines der aktuellen Urteile des Oberlandesgerichtes Karlsruhe (OLG Karlsruhe) befasste sich mit der Frage nach dem Schadensersatz wegen mangelhafter Objektüberwachung und wegen Planungsfehlern bei einem Bauvorhaben.

Die Klägerin ließ ein bestehendes Bürogebäude aufstocken. Hierzu schloss sie am 30.03.1989 mit den Beklagten einen mündlichen Architektenvertrag. Die Rohbauarbeiten vergaben die Beklagten im Namen der Klägerin an die Firma „J. M. & S. Bauunternehmung“. Das von den Beklagten erstellte Leistungsverzeichnis sah unter dem Titel Maurerarbeiten vor, dass Hochlochziegel der Festigkeitsklasse 12 und der Rohdichte 1,4 zu verwenden seien.

Kurze Zeit später traten am durch die Firma J. M. & S. fertiggestellten Mauerwerk Ausschwemmungen auf, die von Kalkeinschlüssen in den Ziegelsteinen, die bei Regen durchfeuchtet worden waren, herrührten. Darüber hinaus traten auch Absprengungen an den Ziegeln auf, die durch zahlreiche Kalk- und Pyriteinschlüsse verursacht worden waren. Die verarbeiteten Ziegel wiesen nur eine Rohdichte von 0,9 statt der im Leistungsverzeichnis angegebenen Rohdichteklasse von 1,4 auf, was sich nachteilig auf den Wärme- und Schallschutz auswirkt. Der zuständige Mitarbeiter der Beklagten Alfons R. hatte die Ziegel vor ihrem Einbau weder auf ihre Rohdichteklasse noch auf treibende Einschlüsse überprüft. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Steine mit einer geringeren Rohdichte mit Wissen und Einverständnis des Architekten R. verbaut wurden.

Im Mai 1992 entschloss sich die Klägerin, die neu errichteten Ziegelmauern abzubrechen und neu zu bauen, was sie insgesamt 464.785,72 Euro gekostet hat. Diesen Betrag errechnete die Klägerin aus den Kosten des Abbruchs und des Neubaus sowie aus den Kosten der Finanzierung, des Mietzinsausfalls und der Nutzungsentschädigung.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 464.785, 72 Euro Schadensersatz nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; darüber hinaus beantragte sie, die Beklagten zu verurteilen, an sie zeitlich gestaffelt ab dem 01.01.2006 bis 01.05.2015 den künftigen Zinsschaden nebst Zinsen zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden im Rahmen des Architektenvertrags vom 30.03.1989 darüber hinaus entstandenen und entstehenden Schaden wegen mangelhafter Ziegelsteine, die aufgrund mangelhafter Objekt¬überwachung eingebaut wurden, zu ersetzen.

Das Landgericht Heidelberg wies die Klage nach Beweisaufnahme ab.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe das Vorliegen von Planungs- und Überwachungsfehlern der Beklagten, durch die der Schaden adäquat kausal verursacht worden sei, rechtsfehlerhaft verneint.

Die Beklagten und die Streithelfer beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Das OLG Karlsruhe entschied, dass die zulässige Berufung überwiegend Erfolg hat. Es führte aus, dass der Klägerin gegen die Beklagten im Rahmen des zwischen den Parteien im Jahre 1989 mündlich geschlossenen Architektenvertrages ein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung gemäß § 635 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung zusteht. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass der für die Beklagte tätige Zeuge R. dem Einbau der Ziegelsteine mit einer geringeren Rohdichte als im Leistungsverzeichnis festgelegt zustimmte, ohne hierfür das Einverständnis der Klägerin einzuholen. Die Anordnung, mindestens aber die Tolerierung des Einbaus dieser Steine, so das OLG, stellt eine pflichtwidrige Abweichung von dem mit der Klägerin als Bauherrin vereinbarten Leistungssoll dar. „Darin ist eine eigenmächtige Umplanung, mithin ein Planungsfehler im Rechtssinne zu sehen (BGH NJW 2002, 3543, 3544)“.

Dem Zeugen R. war klar, dass die Rohdichte von 1,4 aus Gründen des Lärmschutzes bewusst von der Klägerin gewählt worden war. Eine Abweichung von dieser Vorgabe und damit von dem eigenen Leistungsverzeichnis war daher nicht ohne entsprechende Vereinbarung mit ihr zulässig. „In der eigenmächtigen Änderung der Rohdichte in Abweichung von der vereinbarten Planung liegt eine Verletzung der Pflichten aus dem Architektenvertrag, da dadurch von der vertraglich vereinbarten Ausführung abgewichen wurde und die nach dem Vertrag vorausgesetzten Anforderungen an den Lärmschutz eingeschränkt wurden (vgl. BGH NJW 2002, 3543, 3544).“ Dieser Planungsfehler, so das OLG Karlsruhe, hat mit dem Einbau der Steine zu einem Mangel des Bauwerks geführt.

Auch weitere Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sind zu bejahen: Ein Vertretenmüssen der Beklagten liegt vor, denn der Zeuge R. ließ vorsätzlich die Verwendung der falschen Ziegelsteine zu; der Klägerin ist durch diese Pflichtverletzung auch ein Schaden entstanden, da nach Einbau der Ziegelsteine nachträglich der Mangel wieder mit zusätzlichen Kosten behoben werden musste.

Das OLG führte weiter aus, dass der Klägerin ein Anspruch auf Austausch der Ziegelsteine gegen vertragsgerechte Steine zustand, denn der Anspruch war nicht auf eine Nachbesserung der Ziegelwände durch Einbau einer biegeweichen Vorsatzschale beschränkt. Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung, so das OLG, kann ihm regelmäßig nicht wegen hoher Kosten die Nachbesserung verweigert werden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat die danach vorzunehmende Abwägung nichts mit dem Verhältnis des Preises für die Werkleistung nach dem Vertrag und dem Aufwand für die Nachbesserung zu tun. „Bei der Abwägung sind z.B. die Schwere des Vertragsverstoßes und der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (Palandt/Sprau, BGB, 59. Aufl., § 633 Rn. 7, m.w.N.).“ Im vorliegenden Fall liegt ein erheblicher Vertragsverstoß vor, da sowohl der Bauunternehmung J. M. & S. als auch dem Zeugen R. bekannt war, dass die Rohdichte von 1,4 vertraglich festgelegt worden war und dennoch setzten sich der Zeuge R. als Erfüllungsgehilfe der Beklagten und die Bauunternehmung wissentlich ohne Rücksprache mit der Klägerin als ihrer jeweiligen Vertragspartnerin darüber hinweg. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gesichtspunkt des Schallschutzes für die Gebrauchstauglichkeit eines Gebäudes von erheblicher Bedeutung ist, erweist sich der auf Herstellung gerichtete Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht als unverhältnismäßig.“ Auch der Höhe nach ist dieser weitgehend gerechtfertigt und errechnet sich wie folgt:

  • Kosten für den Austausch der Steine nebst Vorbereitungs- und Wiederaufbaukosten i.H. von 177.879,78 Euro;
  • Mietzinsausfall für die Mieträume in dem Anwesen i.H. von 89.411,96 Euro;
  • Kosten für ihre bisherige Mietwohnung i.H. von 11.569,52 Euro;
  • Finanzierungskosten i.H. von 154.934,44 Euro.

Somit kann die Klägerin einen Gesamtbetrag i.H.v. 433.795,70 Euro ersetzt verlangen.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Klägerin keine Klage wegen des künftigen Zinsschadens gemäß § 257 ZPO auf Zahlung zum kalendermäßigen Fälligkeitstag erheben kann, da sie damit eine Überkompensation ihres Schadens erreichen würde, weil ihr bereits Verzugszinsen für den zu zahlenden Ersatzbetrag zugesprochen werden. Es ist nicht erkennbar, dass über diese Zinsen hinaus ein weiterer Zinsschaden entsteht.

Die Klage ist jedoch mit dem weitergehenden Feststellungsantrag begründet, da die Klägerin dargetan hat, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Somit steht ihr hinsichtlich der weiteren Schadensentwicklung ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO zur Seite.

Schließlich sind die Ansprüche der Klägerin weder verjährt noch verwirkt.

Somit wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts Heidelberg im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

  • Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 433.795,70 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.01.2006 zu zahlen;
  • Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin
  • den im Rahmen des Architektenvertrags vom 30.03.1989 darüber hinaus noch entstehenden Schaden wegen des Einbaus mangelhafter Ziegelsteine zu ersetzen;
  • Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

OLG Karlsruhe vom 27.09.2011, Az. 8 U 97/09


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